Die HSBC-Experten Fabian Adler und Thomas Lange sehen noch viel Digitalisierungpotential für deutsche Treasury-Abteilungen.

HSBC Deutschland

16.05.19

„Werden darüber lachen, wie wir Zahlungen abgewickelt haben“

Das Corporate Treasury steckt inmitten eines Umbruchs. Ein Gespräch mit den HSBC-Firmenkundenbankern Fabian Adler und Thomas Lange über die Zukunft des Treasury.

Herr Adler, Herr Lange, wir haben 166 Corporate Treasurer bezüglich des technologischen Wandels im Treasury befragt. Was hat Sie an den Antworten am meisten überrascht?

Thomas Lange: In großen Teilen hat die Umfrage unsere Erfahrungen aus Kundengesprächen bestätigt. Mich hat aber überrascht, dass der Ruf nach Treasurern mit IT-Kompetenzen nicht deutlicher ausgefallen ist. Einige sagen klar, sie bräuchten mehr Manager mit Programmierkenntnissen und anderem IT-Wissen, viele Umfrageteilnehmer haben das nicht angegeben.

Fabian Adler: Für mich war sehr überraschend, dass sich nur ein Drittel zutraut, mit dem jetzigen Team die digitale Zukunft gestalten. Dabei sind Mitarbeiter ein zentrales Element. Unternehmen brauchen flexible und neue Ideen von Mitarbeitern, die sich in den technischen Grundlagen und der Gestaltung der digitalen Welt wohlfühlen.

Das Wohlfühlen dürfte schwierig sein. Immerhin wissen viele Treasurer nicht, wo die Reise in der Digitalisierung hingeht und wie Ihre eigenen Perspektiven sind.

Lange: Ja, viele befinden sich in einer Zwickmühle und fragen sich, auf welches Pferd sie technologisch setzen sollen. Die derzeitige Situation ist sehr verwirrend, weil keiner weiß, was man zukünftig wirklich brauchen wird.

Adler: Corporate Treasurys sollten Schritt für Schritt Themen anfassen, die einen Mehrwert haben. Das Treasury sollte meiner Meinung nach nicht revolutioniert werden, es sollte eine natürliche Weiterentwicklung stattfinden. Wenn die Digitalisierung das Geschäftsmodell verändert, dann sollte der Treasury-Chef sich die Frage stellen: Wie muss unser Treasury aufgestellt sein, damit wir die Entwicklung mitgehen können. Jeder Treasurer hat vermutlich den Traum von 100-prozentiger Visibilität der Cashflows, 24-stündiger Erreichbarkeit und der maximalen Geschwindigkeit. Aber oft fehlen dazu die Möglichkeiten oder es hapert an der konkreten Umsetzung.

Treasurer müssen Grundlagenarbeit machen

Weshalb diese Themen ja vielerorts eben dies sind: Träume.

Lange: Deshalb ist es wichtig, zuerst die Grundlagen zu schaffen. Man muss zunächst beispielsweise eine Datenintegration schaffen. Ich muss einen Überblick haben, auf welche Konten ich etwa in Hongkong und München zugreifen kann. Erst dann kann ich eine Entscheidung treffen, ob Echtzeitzahlungen für die eigene Treasury-Abteilung einen Mehrwert bieten. Sonst holen sich Treasurer mit den neuen Technologien nur unnötig Risiken ins Haus.

Wo sehen Sie denn bereits konkrete Anwendungsmöglichkeiten neuer Technologien, die Corporate Treasurern einen Mehrwert liefern?

Lange: Echtzeitzahlungen sind im Privatkundengeschäft bereits sehr beliebt und wertschaffend. Das Thema Blockchain wird auf der anderen Seite im Trade Finance sehr erfolgreich angewendet. Hier laufen erste Pilotprojekte. Man kann das aber nicht pauschal sagen: Jeder Firmenkunde und jedes Projekt ist anders.

Und was hat in den kommenden fünf Jahren das größte Potential?

„Open Banking und APIs werden große Faktoren sein.“

Fabian Adler, HSBC Deutschland

Lange: Ich sehe drei Bereiche: Geschwindigkeit, Transparenz und Mobile. Dazu gehören Instant Payments, Faster Payments oder Swift GPI. In fünf Jahren werden wir darüber lachen, wie wir Zahlungen heute abgewickelt haben. Treasurer werden dann genau nachvollziehen können, wo ihre Zahlung ist, was sie das kostet und die tatsächlichen Preise sind, die Banken in den einzelnen Ländern veranschlagen. Auch das mobile Bezahlen von Kiosk- und Gaststättenbetreibern bei Warenanlieferung vor Ort durch Retailer wird üblicher werden. Das muss ein Corporate Treasury abbilden können.

Adler: Große Faktoren werden aus meiner Sicht das Open Banking und offene Schnittstellen (APIs) sein. Damit werden Banken und Unternehmen sich beschäftigen müssen. 

TMS-Anbieter gelten als Treiber des Wandels

Eine weitere Tatsache, die die Studie zutage gefördert hat, dürfte der HSBC und ihren Wettbewerbern nicht geschmeckt haben: Treasurer trauen Banken oft nicht zu, die einschneidenden Veränderungen voranzutreiben. Sie sehen eher Systemanbieter und Fintechs als Vorreiter. Woran liegt das?

Adler: Wegen der hohen Unwägbarkeiten muss momentan viel ausprobiert werden. Das Prinzip „Trial and Error“ können wir uns als Bank aber nicht erlauben  und liegt daher mehr in der Unternehmenskultur von Fintechs. Auch die Treasury-Management-System-Anbieter haben sich eine gute Nische im Mittelstand geschaffen. Die treiben Entwicklungen wirklich gut voran.

Und was können Banken machen?

„Das Prinzip „Trial and Error können wir als Bank uns nicht erlauben.“

Fabian Adler, HSBC Deutschland

Adler: Wir als HSBC positionieren uns so, dass wir die Entwicklungen mitgehen können. Wir beobachten den Markt genau und schauen, wo sich eine kritische Masse entwickelt. Dabei profitieren wir natürlich von unserem über Jahrzehnte aufgebauten Verständnis unserer Kunden und deren Geschäftsmodelle. Wir kooperieren zudem mit Fintechs und anderen Systemanbietern und haben dadurch ein eigenes Netzwerk an Kooperationen, das so global aufgestellt ist, wie wir es als HSBC sind. So können wir Innovationen vorantreiben, wir können aber auch mal abwarten und wir können vor allem Produkte durch unser Netzwerk von Anfang an international ausrichten.

Lange: Das stimmt. Banken dürfen aber ihr Kerngeschäft nicht vernachlässigen. Man sollte mit Kunden über Themen wie Payments sprechen, zugleich aber weiterhin dafür sorgen, dass die alltäglichen Bankprozesse reibungslos laufen.

Eich[at]derTreasurer.de

Fabian Adler ist seit 2014 als Senior Sales Manager bei der HSBC Deutschland für die Cash-Management-Beratung von Large Corporates in Norddeutschland und Dänemark verantwortlich.

Thomas Lange ist seit fünf Jahren für HSBC Deutschland tätig. Als Director Global Liquidity & Cash Management betreut er vor allem Dax-Konzerne und große Familienunternehmen.