Der Streit schwelt seit längerem, nun hat er reale Konsequenzen: Die EU hat der Schweiz zum 1. Juli die Börsenäquivalenz aberkannt. Sie ermöglichte bisher, dass alle Handelsteilnehmer sowohl in der Schweiz als auch in der EU sämtliche Schweizer Aktien handeln konnten. Nun werden die dortigen Börsenregeln nicht mehr als gleichwertig mit denen der EU angesehen. Das bedeutet, dass in der EU ansässige Händler nicht mehr ohne weiteres an der Schweizer Börse Six handeln dürfen.
Sie müssen erst prüfen, ob sie die Papiere nicht über einen Handelsplatz in der EU erhalten oder verkaufen können. Doch das ist inzwischen nicht mehr möglich, denn die Eidgenossen haben gekontert: Schweizer Aktien dürfen nun nicht mehr an Börsen und Handelsplätzen in der EU gehandelt werden.

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Börsenstreit mit der Schweiz schwelt weiter
Six verzeichnet mehr Handelsaktivitäten
Das hat Folgen: Die Marktaktivität verlagert sich von multilateralen, börsenähnlichen Plattformen in der EU an die Schweizer Börse. „Meinem Eindruck nach haben sich alle Börsenanbieter an die Vorgabe der Schweizer gehalten, der Handel mit Schweizer Aktien über sogenannte Multilateral Trading Facilities (MTF) findet nicht mehr statt“, beobachtet Christoph Hock, Head of Multi Asset Trading bei Union Investment. „Zuvor wurden etwa 60 bis 65 Prozent über die Six direkt gehandelt, jetzt sind es über 90 Prozent.“
Zudem ist nach wie vor der Handel über Broker in ihrer Funktion als Systematic Internaliser, also direkt gegen die eigenen Handelsbücher der Broker, möglich. Auch Derivate, ETFs und ähnliche Produkte, die auf Schweizer Aktien basieren, können weiter gehandelt werden.
Wettbewerb unter den Börsen ausgesetzt
Hintergrund des Streits: Die Auseinandersetzung um die Börsenäquivalenz wird als Stellvertreterkonflikt gewertet. Eigentlich geht es um einen Rahmenvertrag, der die Beziehung zwischen Schweiz und EU regelt. Aus Sicht der EU ist das Dokument final, die Schweiz will noch weiterverhandeln. Die Auswirkungen des politischen Konflikts sind für Investoren überschaubar. Vereinzelt kann es aber zu geringfügig höheren Kosten kommen - je nachdem, welchen Handelsweg ein Investor wählt.
Zudem fließt bei allen Marktteilnehmer viel Zeit und Energie in die Vorbereitung auf solche Marktveränderungen. „Für unsere Kunden eine passende Marktstruktur und einen ständigen Zugang zu optimalen Liquiditätsquellen zu schaffen, ist für uns und für die anderen Marktteilnehmer natürlich das allerwichtigste“, betont Hock.
Der Experte erwartet in den kommenden Wochen und Monaten keine weitere Verschärfung der Situation. „Grundsätzlich ist es allerdings bedauerlich, dass auf diesem Weg der Wettbewerb zwischen verschiedenen Börsenplätzen, der ja eigentlich von regulatorischer Seite aus gefördert werden sollte, nun zumindest zeitweise ausgesetzt werden muss“, bemängelt er. Zumal in Kürze ähnliche Diskussionen auch in Bezug auf Großbritannien hochkochen dürften: Wegen des geplanten Brexits gibt es schon jetzt ausführliche Diskussionen über viele Details im Verhältnis des so wichtigen UK-Finanzplatzes zur EU.
Koegler[at]derTreasurer.de

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