Kommt die Zinswende der EZB?

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22.03.22
Asset Management

Niedrigzinsumfeld könnte bleiben

Bis zum Beginn des Ukraine-Kriegs rechneten viele mit einer Zinserhöhung der EZB. Das hat sich nun geändert. Jean-Marie Mercadal vom Asset Manager OFI geht von einem anhaltendem Niedrigzinsumfeld aus.

Eigentlich standen die Zeichen auf Zinserhöhung: Die Marktrenditen hatten in Erwartung eines Zinsanstiegs bereits deutlich und in kurzer Zeit angezogen. Ein Treasurer berichtete, sich an eine solche rasante Entwicklung in seiner beruflichen Laufbahn nicht erinnern zu können. Doch den Aufwärtstrend hat nun der Krieg in der Ukraine unterbrochen. Die bisherigen Erwartungen für die weitere Marktentwicklung sind nicht mehr ohne weiteres haltbar. Wie es weitergeht, ist unklar.

Das Ifo Institut berichtet, dass laut einem Ökonomenpanel viele Volkswirtschaftler eine Zinserhöhung von der EZB fordern, da die Inflation das Ziel der EZB längst übersteigt. Jean-Marie Mercadal, Head of Investment Strategies des französischen Asset Managers OFI, geht nicht davon aus, dass es so kommt. „Die Welt braucht die Unterstützung von den Zentralbanken“, so der Experte.

Was er damit meint: Im Zuge der Krise in Osteuropa sei der künftige Investitionsbedarf der Regierungen enorm nach oben geschnellt. „Es werden extrem hohe Summen für Investitionen in Militär, Energie und auch in die soziale Stabilität benötigt“, sagt er. Die gesellschaftlichen Auswirkungen steigender Rohstoffpreise wurden auch in Deutschland in den vergangenen Tagen intensiv diskutiert.

EZB: Kommt die Zinserhöhung?

Die logische Folge ist aus Mercadals Sicht, dass die EZB bis auf weiteres von Zinsschritten absieht. Für die Finanzierung dieser Investitionen seien die Regierungen auf ein niedriges Zinsniveau angewiesen. „Trotz der Inflation scheint ein noch über Jahre andauerndes Niedrigzinsniveau wahrscheinlich“. Er rechnet mit Spreads von langfristigen Bundesanleihen zwischen 0 und 0,5 Prozent. In den USA erwartet er nicht, dass die dortigen Staatsanleihen am langen Ende die 2 Prozent übersteigen werden. „Die US-Wirtschaft wird weniger von der Ukraine-Krise getroffen sein, daher werden wir dort Zinserhöhungen sehen - aber vielleicht in einem moderateren Tempo als bisher angenommen“, vermutet er.

Ob es wirklich so kommt, ist offen: Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) forderte mit Blick auf die Ratssitzung vergangene Woche: „Obwohl der Ukraine-Krieg zu großen Unsicherheiten führt, darf die Zinswende nicht weit in die Zukunft verschoben werden.“ Letztlich entschied sich die EZB dafür, den Leitzins bei 0 Prozent zu belassen.

OFI-Manager Mercadal rät Investoren in der aktuellen Lage unter anderem zu Inflation-linked Bonds oder auch Gold als sicherem Hafen. Insgesamt gebe es mehr Potential im Equity-Bereich als im Bondmarkt. „Bei allen Investitionen ist derzeit hohe Vorsicht geboten“, betont er. 

koegler[at]dertreasurer.de