Der digitale Euro erleichtert Pay-per-Use-Geschäftsmodelle und M2M-Zahlungen.

Maksim Kabakou - stock.adobe.com

11.02.21
Cash Management & Zahlungsverkehr

Warum das Treasury den digitalen Euro braucht

Die EZB wird wohl einen digitalen Euro einführen. Programmierbare Währungen sind wichtige Voraussetzungen für Pay-per-Use-Geschäftsmodelle. Deshalb sollten Treasurer mitreden, findet Siemens-Treasury-Chef Peter Rathgeb.

Der digitale Euro kommt – so viel scheint inzwischen sicher. Zwar hat sich die EZB offiziell bis Mitte dieses Jahres Zeit gegeben, um zu entscheiden, ob sie eine elektronische Form von Zentralbankgeld (englisch: Central Bank Digital Currency, kurz CBDC) einführen wird. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat dazu aber schon jetzt eine klare Meinung: „Wir werden einen digitalen Euro haben“, kündigte die EZB-Chefin Mitte Januar bei einer Veranstaltung der Nachrichtenagentur Reuters an.

Die Notenbank hat wohl auch keine andere Wahl. Denn die Nachfrage nach elektronischen Zahlungsmitteln im Euro-Raum ist zuletzt stark gestiegen, getrieben durch die Corona-Pandemie und die Digitalisierung der Wirtschaft. Wenn die Notenbank verhindern will, dass privatwirtschaftliche Kryptowährungen künftig den Markt für digitalen Zahlungsverkehr bestimmen, muss sie handeln. In Planung sind beispielsweise die Facebook-Erfindung Libra oder bankeigene Stablecoins wie der JP Morgan Coin.

China testet digitalen Renminbi in der Praxis

Hinzu kommt: Andere Währungsräume sind schon deutlich weiter als der Euro-Raum, wenn es darum geht, digitale Zentralbankwährungen einzuführen. China testet den digitalen Renminbi bereits in der Praxis, Schweden will 2023 die E-Krona auf den Markt bringen. „Die Einführung eines digitalen Euro sehen wir als absolut notwendig an, um als EU nicht den Anschluss an den internationalen Wettbewerb zu verlieren“, sagt Peter Rathgeb, Group Treasurer bei Siemens.

Ähnlich sieht es Regina Deisemann, Leiterin Liquidity Management bei dem Haushaltswarenhersteller Vorwerk und Vorstandsmitglied beim Verband Deutscher Treasurer (VDT): „Jedem einzelnen Marktteilnehmer sollte spätestens durch die Diskussion um Libra klar sein, dass die technologischen und strukturellen Veränderungen nicht vor der Entwicklung des europäischen Zahlungsverkehrs halt machen dürfen, um nicht von außerhalb Europas gesteuert und überholt zu werden.“

Digitaler Euro: Voraussetzung für Pay per Use

Den Treasury-Verantwortlichen geht es dabei aber nicht nur um die internationale Rolle des Euro und die Beschränkung der Macht der US-Technologiekonzerne. Es geht auch um handfeste wirtschaftliche Interessen und neue digitale Geschäftsmodelle. „Um die Potentiale von Industrie 4.0 zu heben, muss auch die geldseitige Abwicklung der Transaktionen in die neuen Prozesse integriert werden“, fordert Siemens-Treasurer Rathgeb. Erst dann könnten Leistungs- und Geldflüsse vollständig synchronisiert und automatisiert stattfinden.

Für den Technologiekonzern spielt die Vernetzung von Maschinen eine immer wichtigere Rolle. Das fordert auch das Treasury, denn autonome Internet-of-Things- und Pay-per-Use-Geschäftsmodelle setzten programmierbare Zahlungen voraus, so Rathgeb: „Als Treasury müssen wir im Sinne eines Housekeepings unsere Infrastruktur und Prozesse hierauf vorbereiten. Die Einführung und den Betrieb von zum Beispiel E-Wallet-Lösungen sehen wir als eine sehr wichtige Aufgabe.“

„Die Einführung eines digitalen Euro sehen wir als absolut notwendig an, um als EU nicht den Anschluss an den internationalen Wettbewerb zu verlieren.“

Peter Rathgeb, Group Treasurer von Siemens

Deswegen hat das Siemens-Treasury mit Ramin Ghafari, Head of Financial Technologies, sogar einen eigenen Experten für programmierbaren Zahlungsverkehr und digitales Geld. Ghafari war Teil einer Arbeitsgemeinschaft, die auf Initiative des Finanzministeriums und der Bundesbank branchenübergreifende Perspektiven aus der deutschen Wirtschaft zu programmierbaren Zahlungen erarbeitet hat. Die Quintessenz: Der Bedarf an solchen Zahlungen in der deutschen Wirtschaft wächst.

Denn Siemens ist bei weitem nicht der einzige Konzern, der auf den E-Euro setzt: Bis 2027 wird es in Deutschland 18 Milliarden M2M-Payments geben, prognostizierte vor einigen Monaten die Zahlungsverkehrsberatung PPI. 2019 erprobte etwa Daimler Trucks gemeinsam mit der Commerzbank eine Blockchain-basierte Lösung für Zahlungen zwischen Maschinen. Der fehlende digitale Euro ist ein Grund, weshalb es derzeit nur wenige Pilotprojekte kommt. Hinzu kommen PPI zufolge ungeklärte Haftungsfragen und Authentifizierungsregeln. Zudem gebe es bislang keine sicheren Identitäten für Maschinen, schrieb die Beratung in der Studie.

Digitaler Euro: Auf Blockchain-Basis oder nicht?

Wie der digitale Euro im Detail ausgestaltet werden soll, ist allerdings noch offen. Dazu holte sich die EZB jüngst im Rahmen einer Konsultation Meinungen ein. Mehr als 8.000 Bürger, Unternehmen und Verbände haben sich daran beteiligt - darunter auch die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) und der europäische Treasurer-Verband (EACT).

Eine zentrale Frage lautet, ob der digitale Euro auf Basis konventioneller Technologien oder auf einem Blockchain-Ansatz aufgesetzt werden soll. Letzteres würde bedeuten, dass die Zentralbank über ein verteiltes Datenbanksystem arbeitet, was Vorzüge mit Blick auf Sicherheit und Anonymität mit sich brächte, und auch den Einsatz von automatisierten Zahlungslösungen im Rahmen von Smart Contracts erleichtern könnte.

Zugriff nur für Banken?

Die größte Kontroverse entzündet sich aber wohl an der Frage, wer Zugang zum digitalen Euro hat: Nur die Banken oder die gesamte Öffentlichkeit? Letzteres wäre eine Zäsur, schließlich würde dies bedeuten, dass Endkunden und Unternehmen über ihre Wallet direkt auf Zentralbankgeld zugreifen könnten. Die Banken als Intermediäre wären in diesem Fall nicht notwendig.

Entsprechend klar ist die Position der DK zur Frage des Zugangs: „Wir sind der Meinung, dass der Zugang für die Benutzer eines digitalen Euro von den Banken angeboten werden muss“, heißt es in der Stellungnahme des Dachverbands der deutschen Banken. Kreditinstitute sollten auch weiterhin für Know your Customer (KYC), Anti-Geldwäsche (AML) und Onboarding-Prozesse sowie für die Asset-Verwahrung verantwortlich sein. Eine Variante mit direktem Zugriff der Endnutzer auf Zentralbankguthaben erhöhe die Risken für die Finanzmarktstabilität erheblich, mahnen die Banken.

Vermutlich wird es beim digitalen Euro am Ende kein Schwarz oder Weiß geben: Denkbar sind schließlich auch hybride Modelle, in denen Banken zwar eine Rolle beim Transfer und bei Dienstleistungen rund um Zahlungen haben, Endkunden aber dennoch über ein direktes CBDC-Konto verfügen. Solche Modelle kann sich offenbar auch Siemens-Treasurer Rathgeb vorstellen: „Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass der digitale Euro von öffentlichen Institutionen (Zentralbanken) und Banken, die einer engen Regulierung und Aufsicht unterliegen, ausgegeben und verwaltet wird.“

Buchholz[at]derTreasurer.de