Der Euribor hat deutlich auf die Coronakrise reagiert.

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09.06.20
Finanzen & Bilanzen

Corona treibt Euribor sprunghaft nach oben

Der Euribor hat sich in der Coronakrise vom neuen Referenzzins Estr abgekoppelt. Der reformierte Zinssatz stieg in den längeren Laufzeiten deutlich an, der Estr blieb dagegen auf einem Niveau.

Auch bei Referenzzinsen sorgt die Coronakrise für Turbulenzen. Mitte März war der Drei-Monats-Euribor auf einen neuen Tiefstwert von minus 0,48 Prozent gesunken. In den folgenden Wochen stieg der Zins rapide an und erreichte in der Spitze einen Wert von ungefähr minus 0,16 Prozent, bevor er wieder etwas sank. Ähnlich verhielten sich der Sechs- und der Zwölfmonats-Euribor. Der einmonatige Zinssatz ist dagegen nach einem kurzen Anstieg wieder deutlich gesunken, bei der einwöchigen Laufzeit zeigte sich das Phänomen nahezu gar nicht.

„Die Bewegung war durchaus merkwürdig, da der Anstieg so steil war und sich die Euribor-Rates damit stark vom Estr abgekoppelt haben“, sagt Jan Hartlieb, Geschäftsführer von Sachsen Asset Management. Der Estr ist im Krisenverlauf relativ stabil auf einem Niveau geblieben. „Das führt nun dazu, dass es für Unternehmen bei der Finanzierung sinnvoll sein kann, auf den Estr statt auf den Euribor zu setzen, da er sich in der Krise als robust erwiesen hat“, so Hartlieb. Im April hatte der Wind- und Solarparkentwickler Energiekontor das erste Estr-basierte Darlehen eines Unternehmens abgeschlossen.

Neue Diskussionen um den Euribor

Die Entkoppelung des Euribor vom Estr dürfte auch die Debatte um die langfristige Zukunft des Euribor wieder anfachen. Einige stört, dass der Zins stark vom Bankenrisiko abhängt. Ein möglicher Grund für den aktuellen Anstieg könnte eine Fragmentierung im Geldmarkt sein. Banken in der Peripherie könnten höhere Funding-Kosten haben, was sich in dem Zinssatz widerspiegelt.

Andere sehen die hybride Methode kritisch. Ursprünglich sollte der Euribor auf ein rein transaktionsbasiertes Berechnungsverfahren umgestellt werden. Da es nicht genug Transaktionen für diesen Ansatz gibt, setzt sich der Referenzzinssatz nach einer sogenannten Wasserfallmethode aus mehreren Quellen –  Level 1, 2 und 3 – zusammen. Zu Level 3 können auch Einschätzungen von Banken gehören.

Weniger Transaktionsdaten

Die Daten, die das Emmi-Institut für den März veröffentlicht hat, zeigen, dass weniger tatsächliche Transaktionsdaten vorlagen als in den Vormonaten – mit Ausnahme der einwöchigen Laufzeit. Im April hat sich das bei den längeren Laufzeiten noch verstärkt.

Ob das ein Grund für den Anstieg ist, ist längst nicht gesagt. Hartlieb kritisiert allerdings, dass die Daten erst mit zeitlichem Verzug veröffentlicht werden: „Dadurch ist es derzeit schwer zu beurteilen, ob die Datengrundlage des Euribor den tatsächlichen Markt widerspiegelt“, meint Jan Hartlieb. Das ist erst im Nachhinein möglich.

Koegler[at]derTreasurer.de

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