Angesichts der steigenden Infektionszahlen kam bei der Structured FINANCE 2021 der Vorteil des hybriden Events zum Tragen: Wer nicht anreisen konnte, hatte digital Zugriff auf nahezu alle Kongressinhalte.

F.A.Z. Business Media GmbH/A. Varnhorn & B. Hartung

30.11.21
Finanzen & Bilanzen

Das brachte die Structured FINANCE 2021

Eine Veranstaltung unter ungewöhnlichen Bedingungen: die Structured FINANCE 2021 fand als Hybridevent statt. Vom Bilanzskandal über Bankbeziehungen bis zu Green Finance: Das waren die wichtigsten Inhalte.

Entschärfung einer Weltkriegsbombe am Veranstaltungstag – das war vor vielen Jahren das dramatischste Ereignis bei einer Structured FINANCE. Bis jetzt: Denn im Vorfeld der 17. Structured FINANCE stiegen die Infektionszahlen dramatisch an, mit Folgen für unsere Konferenz: Galt bis dahin das 2G-Konzept, nach dem nur Geimpfte und Genesene teilnehmen konnten, zogen wir als Veranstalter noch eine weitere Maßnahme ein, um die Gesundheit der Beteiligten nicht zu gefährden.

2G plus war die Devise, nur mit aktuellem Test gab es Einlass. Auch ein Testzelt ließ sich innerhalb von wenigen Tagen noch organisieren – und tatsächlich gab es einige wenige Getestete, die dann nicht an der Structured FINANCE teilnehmen konnten.

Noch kurz vor Beginn des Kongresses schlugen bei manch einem Teilnehmer verschärfte Reiserichtlinien zu, so dass eine Teilnahme vor Ort nicht möglich war. Der Vorteil des hybriden Events kam zum Tragen: Wer nicht anreisen konnte, hatte digital Zugriff auf nahezu alle Kongressinhalte: vom digitalen Warm-up zur Causa Wirecard über die Podiumsdiskussionen an Tag 1 und 2, fast alle der 80 Roundtables bis hin zum Abschluss-Interview mit DIW-Chef Marcel Fratzscher. Mehr als die Hälfte der angemeldeten 2.000 Teilnehmer folgten der Structured FINANCE letztlich digital.

Wirecard-Skandal bewegt Community bis heute

Den rein digitalen Einstieg bildete diesmal eine Diskussion rund um Wirecard am Vortag des Konferenzbeginns. Der größte Bilanzskandal der deutschen Geschichte bewegt die Gerichte und die Finanz-Community bis heute. Der mutmaßliche Hauptdrahtzieher Jan Marsalek befindet sich auf der Flucht, der ehemalige CEO Markus Braun sitzt in Untersuchungshaft.

Rückblick: Dem vermeintlich innovativen Zahlungsanbieter gelang der Aufstieg bis in den Dax – doch 2020 fiel das Kartenhaus zusammen. Es zeigte sich, dass ein Großteil der Umsätze schlicht erlogen war. In einem anderen Teil wurden dubiose Zahlungen für Glücksspielanbieter und Pornographie abgewickelt. Auch der Verdacht auf Geldwäsche besteht.

Was sind die Lehren aus dem Wirecard-Skandal? Tiefe Einblicke in den Fall gaben mehrere Experten in der Diskussion: Fabio De Masi, der ehemalige Obmann des Wirecard-Untersuchungsausschusses, konnte aus erster Hand über den Fall und die Versäumnisse der Finanzaufsicht berichten. Marc Liebscher von der Kanzlei Dr. Späth & Partner erzählte aus der Perspektive der Anwaltskanzlei, die Kläger gegen Wirecards Wirtschaftsprüfer EY vertritt. Und die Bilanzierungsexpertin Carola Rinker erklärte, warum man die Warnsignale bei dem Zahlungsanbieter schon früher hätte hören müssen.

Bankbeziehungen post Corona

Richtig vor Ort ging es am 24. November los. Thema der Auftaktdiskussion in Stuttgart war vor allem die Coronakrise und ihre Folgen für die Beziehung zwischen Banken und Unternehmen. Wie hat sie sich nach der Ausnahmeerfahrung im Frühjahr 2020 wieder zurecht gerüttelt? Die Runde zeigte, dass die Erfahrung sehr unterschiedlich war.

Am extremsten hat die Krise sicherlich die Reise- und Tourismusindustrie getroffen. „98 Prozent unserer Umsätze fielen weg“, erklärte Lars Mosdorf, CFO beim Flughafen Düsseldorf. Der Finanzvorstand musste alle Ausgaben, soweit es möglich war, auf das Minimum reduzieren und gleichzeitig mit den Banken einen neuen Finanzierungsrahmen verhandeln. Dies gelang auch vor rund einem Jahr nach Monaten der Verhandlung.

Nicht ganz so heftig, aber dennoch stark getroffen war ZF Friedrichshafen. Auch deren Finanzleiter Ulf Loleit  räumte ein, dass die Krise zu einem Belastungstest der Bankbeziehungen wurde – die Banken priorisierten nach seiner Beobachtung besonders in der ersten Corona-Phase ihre Kunden nach Branche und Region.

Weniger dramatisch sah die Lage beim Gesundheitskonzern Fresenius aus. Aber auch dort wägt die ehemalige Bankerin und heutige Finanzleiterin Sara Hennicken das Geschäft mit den Banken sorgfältig ab. Der Grund: Nach der Erfahrung Corona verteilen die Banken ihr Geschäft weniger mit der Gießkanne. Die Profitabilität der Kundenbeziehung ist deutlich in den Vordergrund gerückt, wie anwesende Top-Banker von BayernLB und DZ Bank bestätigten.

Green Finance kann sich kaum einer entziehen

Profitabilität ist das eine, Nachhaltigkeit das andere: Fast 20 Prozent der Diskussionen und Roundtables befassten sich in irgendeiner Weise mit Nachhaltigkeit und ESG-Themen – ob in der Finanzierung oder der nachhaltigen Geldanlage. Während die Thematik auf der Structured FINANCE vor rund fünf Jahren noch kaum eine Rolle spielte, kommt nun kaum ein CFO oder Treasurer an ihr vorbei.

In einer Podiumsdiskussion erklärten die Treasurer von Adidas und Daimler, warum sie sich für Green beziehungsweise Sustainability Bonds entschieden haben. Die Herausforderungen dabei werden gesehen: Das sind speziell die fehlenden Standards im neuen Markt, etwa bei ESG-Ratings. So gibt es noch keine Mechanismen, nach denen die Nachhaltigkeitsagenturen faktische Fehler aus ihren Berichten entfernen. Anleger stützen sich aber zunehmend auf das Urteil der Agenturen.

Explizit kein grünes Finanzierungsinstrument hat bislang die Deutsche Bahn platziert. Kapitalmarktchef Christian Große Erdmann setzt hingegen auf das Konzept des grünen Emittenten, die Nachhaltigkeit finde primär auf der Aktivseite statt. Eine Argumentation, der etwa auch der Autobauer BMW folgt. Es wird wohl noch viele Diskussionen rund um dieses Thema geben, speziell um das Pricing. Ein kurzfristiger Trend ist Green Finance aber nicht, so viel wurde aus den Diskussionen klar.

Die Zukunft des Treasury

Es waren vor allem die innovativen Themen, die die Finanz-Community auf der Structured FINANCE umtrieben. Dazu zählt auch die Zukunft des eigenen Berufsbilds, etwa im Treasury: Was macht die Abteilung in den kommenden fünf bis zehn Jahren? Was wird bis dahin automatisiert sein? Mutmaßlich das transaktionale Geschäft. Können Treasurer vom Einzelkämpfer zum Business Partner aufsteigen? Und wie kann man neue Talente und Data Analysts für die Abteilung gewinnen? Das war das Thema eines VDT-Workshops und noch weiterer Roundtables auf dem Event.

Dass das Treasury definitiv in Bewegung ist, zeigte sich auch bei der Preisverleihung: Nicht eine klassische Refinanzierung machte dieses Mal das Rennen, sondern ein Projekt aus dem Payments-Bereich. Bei dem Autobauer Audi erobert das Treasury, geleitet von Markus Massouh, ein Feld, das früher sicher nicht zu den Kernaufgaben der Treasurer zählte. Die Jury honorierte diese Pionierarbeit. Nicht zu unterschätzen ist, dass Audis Finanzbereich neue Perspektiven entwickelte und dabei auch interne Hürden und Silodenken überwinden musste.

Dentz[at]derTreasurer.de

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