Banken werden risikoaverser. Was bedeutet das für Treasurer?

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16.09.22
Finanzen & Bilanzen

Die Angst vor dem Credit Crunch

Banken agieren zunehmend risikoavers. Gleichzeitig nimmt die Nachfrage nach Krediten zu, vor allem getrieben durch einen steigenden Working-Capital-Bedarf. Kommt es jetzt zu einem Credit Crunch?

Der Herbst hat begonnen, nach dem heißen Sommer ist das gegenwärtige Umfeld trüb wie lange nicht: Die Inflation galoppiert voran, die Zinsen steigen, der Ukraine-Krieg tobt mit unverminderter Schärfe, die Lieferketten hängen teilweise immer noch - und die Energieversorgung kriselt gewaltig. Als besonderer Downer kommt hinzu, dass die Gaspipeline Nord Stream 1 bis auf weiteres geschlossen bleibt.

Diese Gemengelage kann nicht ohne Folgen für die Kreditvergabe bleiben. Im aktuellen Umfeld agieren Banken zunehmend risikoavers, wie die Umfrage der EZB unter europäischen Banken im Juli schon zeigte. Laut Bank Lending Survey werden die Kreditstandards strenger, sowohl für Firmen als auch für private Haushalte. Gleichzeitig nimmt die Nachfrage nach Krediten zu, vor allem getrieben durch einen steigenden Working-Capital-Bedarf. Kommt es jetzt zu einem Credit Crunch?

Banken versuchen Bilanz im Lot zu halten

Noch ist es nicht so weit, zumindest nicht bei Unternehmen mit guter Bonität. Bei den Finanzierungsanfragen trennt sich momentan jedoch die Spreu vom Weizen. „Investmentgrade ist kein Problem, unter dieser Voraussetzung können sich Unternehmen nach wie vor günstig finanzieren“, sagt Matthias Magnus vom Finanzierungsberater Cubus in Frankfurt am Main. Bei Kreditlaufzeiten ließen sich durchaus noch fünf Jahre mit zwei Verlängerungsoptionen durchsetzen (5+1+1), anders als zum Höhepunkt der Coronakrise, als Banken nicht mehr als drei Jahre genehmigten.

Bei Unternehmen, deren Ratings mittelmäßig sind, werde es jetzt allerdings schwierig, erklärt Magnus weiter. Das Problem: Wenn die Wirtschaft in die Rezession abgleitet, steigt der Abschreibungsbedarf bei den Kreditinstituten. „Die Banken versuchen nun, ihre Bilanz im Lot zu halten und die Eigenkapitalquote zu stärken“, sagt Magnus und fügt hinzu: „Es gibt kaum ein zyklischeres Geschäftsmodell als das einer Bank.“

Ein Thema, das momentan viele betrifft, ist der steigende Working-Capital-Bedarf. „Durch die Inflation steigen die Einkaufspreise teils deutlich. Deswegen reichen bei vielen Unternehmen die ursprünglichen Working-Capital-Linien nicht mehr aus“, so Magnus.

Ein zweiter Effekt, der zu dem steigenden Bedarf führt: Wegen der Lieferkettenprobleme bauen Unternehmen ihre Lager auf, denn Just-in-time-Lieferungen sind vielerorts passé. Doch was passiert, wenn die Bestände und Komponenten nicht abgerufen werden, wie es immer wieder vorkommt? Dann kann die Finanzlage leicht eskalieren, was den Banken sehr bewusst ist.

Automotive, Einzelhandel und Healthcare unter Druck

Einzelne Branchen sind bei den Banken daher besonders auf dem Radar: Automotive zählt schon länger dazu, das hat sich nicht gebessert. So meldete etwa das ifo Institut Anfang September, die aktuelle Lage in der deutschen Autobranche habe sich „im August kräftig verschlechtert“. „Dabei sind die Zulieferer deutlich schlechterer Stimmung als die Hersteller“, sagte Oliver Falck vom ifo Institut. Das hat seinen Grund: Die OEMs haben starke Bilanzen, müssen aber die Transformation zur E-Mobilität bewältigen und stützen deshalb nur zur Not ihre Zulieferer.

Aber nicht nur die Automotive-Branche hat zu kämpfen. Auch im Einzelhandel sieht es schlecht aus, wie aktuell die Pleite des Schuhhändlers Goertz zeigt. „Nach zwei schwachen Jahren schaut man kritisch auf die Branche“, sagt Bernd Renz, Leiter Vertrieb von Targo Factoring. Eine Corona-Welle im Herbst mit Kontaktbeschränkungen und hohe Energiepreise bringen den stationären Handel unter Druck. „E-Commerce dürfte hingegen eher profitieren“, glaubt Renz.

Aber sogar bislang bei Kreditgebern beliebte Branchen wie Healthcare geraten zunehmend unter Druck, beobachtet Johannes Schmittat von Houlihan Lokey. „Selbst der Gesundheitssektor, der sich bislang zu äußerst attraktiven Konditionen finanzieren konnte, kämpft jetzt, besonders weil dort stark geheizt werden muss und hohe Energiekosten anfallen.“ Die drohende Rezession und Marktunsicherheit täten ihr Übriges.

Finanzierung zunehmend schwierig

  • Kreditfinanzierung für schwächere Bonitäten zunehmend schwierig
  • Repricing am Schuldscheinmarkt
  • Banken ziehen sich aus Avalgeschäft zurück
  • Finanzierung von LBOs wird schwierger
  • High-Yield-Bonds und Term-Loan-B-Finanzierungen unattraktiv

Quelle: DerTreasurer

Schuldscheine werden teurer

Eine beliebte Kreditalternative sind Schuldscheine. Diese verzeichneten im ersten Halbjahr einen Rekord, was angesichts weiter günstiger Konditionen einige Banker dazu veranlasste, von „Stupid Money“ zu sprechen. Doch auch bei Schuldscheinen vollzieht sich gerade ein Repricing. Allein in den vergangenen sechs Wochen haben sich die Konditionen deutlich verschlechtert.

Ein Beispiel: Derzeit vermarktet Bosch ein Papier über 300 Millionen Euro. Beobachter gehen aber davon aus, dass der Stuttgarter Automobil- und Industriekonzern deutlich mehr einsammeln will. Für die fünfjährige Tranche soll das Angebot bei 120 und 140 Basispunkten liegen. Die große Bosch-Emission mache es anderen Emittenten gerade nicht leicht. Zudem halten sich Sparkassen eher zurück, man müsse wie im Falle von Brenntag stärker internationale Investoren ansprechen. 

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