Das Ende des skandalumwitterten Referenzzinssatzes Libor scheint in Sicht. Die britische Finanzaufsicht FCA, in deren Einflussbereich die „London Interbank Offered Rate“, kurz Libor, ermittelt wird, will den Referenzzinssatz bis Ende 2021 durch ein zuverlässigeres System ablösen. Derzeit ist allerdings nicht klar, wie die Alternativen aussehen könnten, und was mit Finanzprodukten passiert, die sich noch auf den Libor beziehen.
„Die Planung und die Überleitung müssen jetzt beginnen“, erklärte der FCA-Chef Andrew Bailey am heutigen Donnerstag in London. Die Märkte dürften sich nicht länger auf den Libor in seiner jetzigen Form stützen. Die an der Ermittlung des Zinssatzes beteiligten Banken hätten aber zugesichert, den Libor noch für eine Übergangsperiode bis Ende 2021 zu pflegen. Bis dahin sollten auch die offenen Fragen geklärt werden.

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Endgültiges Ende des Libor in Sicht
Skandale: Ruf des Libor und Euribor haben schwer gelitten
Der Libor wird täglich als Durchschnittszinssatz aus den Briefsätzen von – je nach Währung – acht, zwölf oder 16 internationalen Großbankenberechnet. Die Banken melden für die Berechnung die Zinsen, die sie aktuell für Kredite ihrer Konkurrenten zahlen müssen. Der Libor deckt die häufigsten Termingeschäftslaufzeiten ab. Für den Euroraum bildet die „Euro Interbank Offered Rate“ eine Alternative. Der Euribor ist ein Durchschnittszinssatz für unbesicherte Euro-Kredite und wird mit Hilfe von Meldungen von mehr als 30 ausgewählten Banken berechnet.
Der Ruf der beiden Referenzzinssätze Libor und Euribor ist allerdings schwer beschädigt. In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass sich einige Banken von 2006 bis mindestens 2010 abgesprochen und damit den Libor manipuliert haben. Einige Großbanken mussten hohe Geldstrafen im Zuge des „Libor-Skandals“ bezahlen. Als Konsequenz aus der Manipulation des Referenzzinssatzes verantwortet seit 2014 der US-Börsenbetreiber ICE die Libor-Berechnung, überwacht von der FCA. Auch der Euribor wurde nach Erkenntnissen der EU-Kommission manipuliert. Insgesamt sieben Banken sollen sich über die Höhe des Referenzzinssatzes abgesprochen haben.
Reformen des Libor und Euribor sind gescheitert
Doch diese skandalträchtige Vergangenheit der beiden Referenzzinssätze ist nicht der Grund für das anvisierte Ende des Libor. „Wir befürchten kein Fehlverhalten oder haben Anzeichen dafür“, betonte FCA-Chef Bailey am heutigen Donnerstag in London. Es gebe aber mittlerweile zu wenig Geschäfte, die als Grundlage für die Kalkulation des Libor dienen. Der Markt sei nicht mehr ausreichend liquide – und in einem solchen Fall sei selbst der beste Referenzzins sinnlos.
Im Frühjahr dieses Jahres war bereits die Reform des Euribor vorerst gescheitert. Das European Money Markets Institute (Emmi) teilte das im Mai nach einer sechsmonatigen Testphase für eine neue Erhebungsmethode mit.
Schon vor rund viereinhalb Jahren diskutierten Aufsichtsbehörden über eine Abschaffung der beiden Referenzzinssätze Libor und Euribor. Damals suchten Zentralbanken und Behörden wie die EZB, die ESMA oder die BIS sowie nationale Kommissionen wie die Wheatley-Gruppe in Großbritannien nach möglichen Alternativen, um einen Missbrauch der Referenzzinssätze zu verhindern und die Aufsicht zu verbessern. Die EZB dachte damals beispielsweise an eine transaktionsbasierte Erhebung der Euribor-Sätze. Auch die sukzessive Umstellung auf besicherte Referenzzinssätze sei vor dem Hintergrund der gestiegenen Bedeutung dieser Märkte vorstellbar, hieß es damals in einem Positionspapier.
Mögliche alternative Referenzzinssätze
Neben dem Libor und dem Euribor gibt es weitere, weniger verbreitete Referenzzinssätze. Einer von ihnen ist der „Euro Overnight Index Average“, kurz Eonia. Hierbei handelt es sich um einen auf Basis tatsächlich getätigter Umsätze berechneter Durchschnittszinssatz für Tagesgeld im Euro-Interbankengeschäft. Im Gegensatz zu Libor und Euribor beruht der Eonia also auf realen Transaktionen und nicht auf einer Meinungsumfrage unter Banken. Treasurer hierzulande nutzen den Eonia vereinzelt schon in ihren Kreditverträgen. So hat beispielsweise der Pharmagroßhändler Anzag 2011 eine Working Capital Facility im Volumen von 200 Millionen Euro auf Eonia-Basis vereinbart.
Auch einige Zentralbanken suchen schon seit längerem nach alternativen Referenzzinssätzen. Die Bank of England hat sich dafür entschieden, dass die „Sterling Overnight Index Average“, kurz Sonia, die beste Alternative zum Libor sei. Die EZB erwägt sogar, einen eigenen Geldmarkt-Referenzsatz aufzulegen.
Paulus[at]derTreasurer.de

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