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24.06.21
Finanzen & Bilanzen

ESG-Berichtspflicht dürfte bald auch Mittelständler treffen

Die Bundesregierung will Deutschland zum führenden Sustainable-Finance-Standort machen. Viele der Ziele bleiben aber vage formuliert. Zudem flammen an anderen Stellen Diskussionen über neue ESG-Regeln auf.

Künftig könnten auch viele Mittelständler in Deutschland verpflichtet werden, über ihre Nachhaltigkeitsrisiken zu berichten. Die EU-Kommission arbeitet an einer Überarbeitung der CSR-Richtlinie, die ihren Wirkungskreis deutlich erweitern dürfte. Diesem Vorstoß hat sich auch die Bundesregierung in ihrer im Mai veröffentlichten Sustainable-Finance-Strategie klar angeschlossen.

Sie folgt damit einem der Vorschläge des Sustainable-Finance-Beirats, der die Regierung bei der Entwicklung dieser Strategie beraten hat. Das Gremium, das auch aus Coroporate Treasurern wie Klaus Wirbel (Rewe) besteht, hatte im Februar einen umfänglichen Katalog an Empfehlungen vorgelegt.

Regierung unterstützt Ausweitung der Berichtspflicht

Demnach könnten ab 2023 alle notierten, sowie auch nichtkapitalmarktorientierte große Unternehmen verpflichtet sein, über nichtfinanzielle Informationen zu berichten – wenn der Vorschlag der EU so umgesetzt wird. Das Größenkriterium Mitarbeiterzahl würde beispielsweise auf 250 Mitarbeiter sinken. „In Deutschland würde damit die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen deutlich nach oben schnellen“, kommentiert Jan Rabe, ESG-Experte von Metzler Asset Management.

Die Bundesregierung bekennt sich in ihrem Strategiepapier auch klar zur Integration der nichtfinanziellen Erklärung in den Lagebericht. Das ist eine klare Aufwertung dieser Kennzahlen im Vergleich zu bislang üblichen separaten Nachhaltigkeitsberichten.

Kritik an fehlenden konkreten Zielen

„Die Strategie der Bundesregierung ist ein wichtiger Baustein, um das Thema Nachhaltigkeit für die deutsche Wirtschaft auf eine breite Basis zu stellen“, bestätigt Metzler-Experte Rabe. Jedoch weist er darauf hin, dass diese an vielen Stellen zu unkonkret sei: „Bisweilen geht es um Absichten und eine Auflistung des Erreichten“, kritisiert er. Konkrete Ziele, wie zum Beispiel Deutschland als führenden Standort für nachhaltige Kapitalanlage zu positionieren, fehlten in dem Thesenpapier hingegen. „Damit Standortvorteile für den deutschen Finanzmarkt keine Potentiale bleiben, muss die Strategie konkretisiert werden. Noch wird die Mehrheit aller unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten investierten Gelder aus anderen Regionen wie zum Beispiel Frankreich, Benelux- oder den Nordics-Ländern verwaltet.“

Aus der Fondsbranche macht sich noch in anderer Hinsicht Kritik breit: Die Bafin hat in diesem Frühjahr mit einem Entwurf für neue Leitlinien für nachhaltiges Investmentvermögen für Furore gesorgt. Die Aufsichtsbehörde will der Gefahr des Greenwashings Einhalt gebieten und strengere Regeln für als nachhaltig vermarktete Publikumsfonds auflegen. Sie sollen beispielsweise zu 90 Prozent in nachhaltige Assets investiert sein.

Der Branchenverband BVI kritisiert das Vorhaben scharf, denn es stehe der Strategie der Bundesregierung entgegen, Deutschland zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort zu machen. Denn die neuen, strengen Regeln würden nur für Fonds mit deutscher Wertpapierkennnummer gelten. Nachhaltige Fonds würden dann künftig einfach in Luxembourg oder Irland aufgelegt, statt in Deutschland, um die Regulierung zu umgehen, so die Kritik des BVI.

Diskussionen um Rolle der EZB

Heftig diskutiert wird derzeit zudem die künftige Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) bei der Umsetzung der Klimapolitik der Europäischen Union. Auslöser war eine Aussage von Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der in einer Rede sagte, dass die EZB Laufzeiten oder die Menge von Anleihen in bestimmten Sektoren begrenzen könnte, wenn Ratingagenturen die Klimarisiken nicht schnell genug berücksichtigen.

Wie das konkret aussehen könnte, ist noch unklar. Die Zentralbank hat am vergangenen Wochenende intern auch über diesen Punkt gesprochen, Ergebnisse aus diesen Verhandlungen sind allerdings bislang nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Weidmanns Aussage deutet auf strengere Ausschlusskriterien hin.

Bezieht die EZB ESG-Faktoren ins Kaufprogramm ein?

Spyros Andreopoulos, Senior European Economist bei BNP Paribas, kann sich gut vorstellen, dass die Zentralbank über kurz oder lang Nachhaltigkeitskriterien in ihre Kaufprogramme einfließen lassen wird: „Über den Schutz des eigenen Portfolios vor Klimarisiken, sowie höhere Transparenz scheint es mir wahrscheinlich, dass die EZB darüber hinausgehen wird, und bei Anleihekäufen von ihrer marktneutralen Position abweichen könnte“, so der Ökonom.

Zur Debatte um die Frage, ob die Zentralbank, damit ihr Mandat überschreiten würde, bezieht der Ökonom klare Stellung: „Soweit es die Preisstabilität nicht beeinträchtigt, gehört es zum Mandat der Zentralbank, die Wirtschaftspolitik der Europäischen Union zu unterstützen.“ Die öffentliche Debatte um die Rolle der Zentralbank in der Klimapolitik dürfte aber dennoch längst nicht abgeschlossen sein.

Koegler[at]derTreasurer.de

Mehr rund um das Thema Nachhaltigkeit im Treasury erfahren Sie auf unserer Themenseite Green Finance.

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