Im Januar dieses Jahres war Treasury-Chef Nils von Schoenaich-Carolath noch optimistisch: Für den Immobilieninvestor Preos hatte er einen „digitalen Zwilling“ (Token) für die Aktie erarbeitet – als erster Konzern in Deutschland. Mit dem Token wollte er eine neue Art technologieaffiner Investoren anziehen. Gleichzeitig plante das Unternehmen samt Mutterkonzern Publity sich als innovativer Player am Markt zu positionieren, wie Schoenaich-Carolath seinerzeit gegenüber DerTreasurer sagte.
Dafür nahm man viel Geld in die Hand: Eingerechnet der externen Dienstleister wie Wirtschaftsprüfer und Anwälte arbeiteten 40 Mitarbeiter an dem digitalen Zwilling. Der Bafin-Prospekt hatte 520 Seiten.

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Was ist los beim Token-Pionier Preos?
Preos-Token: Nur 14.100 Euro platziert
Wenige Wochen später ist von den hochtrabenden Plänen nicht viel übrig geblieben. Wie bereits im Februar bekannt wurde, hat der Konzern die öffentlichen Angebote für die Preos-Token und -Aktien vorerst eingestellt. Grund hierfür ist eine mögliche Mehrheitsbeteiligung durch einen asiatischen Mischkonzern an Preos, mit dem Publity derzeit verhandelt.
Doch schon zuvor war das Token-Angebot zum Rohrkrepierer geworden: Gerade einmal 1.613 Token im Gesamtwert von 14.100 Euro hatte Preos zu jenem Zeitpunkt untergebracht, berichtet das Fachmagazin „Fonds Professionell“. Dabei hatte man die Vorbereitungen geschaffen, um bis zu 230 Millionen Euro der Token an den Markt zu bringen.
Wie DerTreasurer erfahren hat, ist auch Treasury-Chef Schoenaich-Carolath seit Februar nicht mehr für Preos und Publity tätig. Er legt Wert darauf, dass dies aber nichts mit der enttäuschenden Verkauf des Tokens zu tun hat. Vielmehr sei die Aktie und Fremdkapital tokenisiert, die Tokenisierung einer Immobilie schlüsselfertig. Schoenaich-Carolath hat sich in dem Bereich Tokenisierung und Digital Assets nun als Berater selbstständig gemacht.

Anm. d. Red., 14.04.21: Der Text wurde nachträglich um die neue berufliche Tätigkeit von Schoenaich-Carolath ergänzt.
Bafin schaut sich Preos-Aktie genauer an
Bei Schoenaich-Carolaths alten Arbeitgebern Preos und Publity spitzt sich die Lage derweil zu: Die Bafin schaut sich Vorgänge um das Immobilienkonglomerat genauer an. Die Behörde hat die Vermarktung des Token auf der Plattform „Aktiencheck.de“ Ende März moniert. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei zumindest mit irreführenden Aussagen geworben worden, meint die Behörde in einem eigenen Statement.
Dabei ist derzeit noch unklar, ob sich der Konzern selbst etwas hat zuschulden kommen lassen – oder ob Dritte ohne Wissen des Unternehmens gehandelt haben. Preos betont, nichts mit der Werbung auf „Aktiencheck.de“ zu tun zu haben. Weder das Unternehmen selbst noch aktive oder ehemalige Organe der Firmengruppe hätten die Anzeige beauftragt.
Publity-Aktie in den vergangenen drei Monaten
Schwerwiegender scheint aber: Die Finanzaufsicht hat Ermittlungen aufgenommen, um die Preos- und Publity-Aktien genauer unter die Lupe zu nehmen, wie diese Woche publik wurde. Die beiden Konzerne sind eng verwoben: Größter Aktionär von Publity ist mit 48 Prozent eine Holding des Firmengründers und langjährigen Vorstandschefs Thomas Olek, der seit kurzem nur noch beratend für die Unternehmensgruppe tätig ist. Ein Konsortium aus strategischen Investoren hält weitere fast 39 Prozent der Aktien. Publity hält wiederum noch über 80 Prozent der Preos-Aktien.
Bei den Bafin-Untersuchungen handelt es sich nicht um Ermittlungen gegen die Unternehmen an sich, sondern vielmehr um sonderbare Aktienbewegungen. Es könnten insofern auch hier unbekannte Dritte den Kurs manipuliert haben.
Worum es genau geht, ist aber nicht bekannt. Die Bafin teilt mit, man könne sich zu Untersuchungsdetails „leider aus Verschwiegenheitsgründen“ nicht äußern. Ein Sprecher von Preos und Publity lässt wissen, man habe noch nichts Schriftliches von der Bafin erhalten. Man wolle aber voll mit der Behörde kooperieren.
Auf Basis interner Recherchen habe Publity aktuell keine Hinweise auf ein mögliches Fehlverhalten von Mitarbeitern oder Organen von Publity oder Preos gefunden, heißt es in einer Mitteilung am Dienstagnachmittag.
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Massive Wertberichtigung, kaum Kursbewegungen
Schon länger wundern sich Beobachter über die Kursverläufe der beiden Immobilienhäuser. Das Handelsvolumen scheint niedrig für Konzerne, die gemeinsam derzeit auf über eine halbe Milliarde Euro Börsenwert kommen, in Spitzenzeiten war es auch über 1 Milliarde Euro. Die geringen Kursschwankungen ließen sich derweil noch durch den geringen Streubesitz erklären.
Doch nicht einmal schlechte Nachrichten der jüngeren Vergangenheit konnten die Kurs-Performance beeinträchtigen: So teilte der Konzern Anfang März mit, das seine Beteiligung an der Tochtergesellschaft doch nicht – wie zuerst veranschlagt – 180 Millionen Euro wert sei. Vielmehr komme man auf einen Wert von 80 bis 125 Millionen Euro – bis zu 100 Millionen Euro weniger. Grund war wohl die Coronakrise, die die Aussichten am Gewerbeimmobilienmarkt deutlich eintrübt. Die Aktionäre reagierten zunächst fast gar nicht, einige Wochen verzögert immerhin ein wenig.
Durch die Untersuchung der Bafin kommt jetzt indes Bewegung in die Kurse. Die Preos-Papiere gaben seit Wochenbeginn deutlich nach und sackten von rund 5 auf zuletzt unter 4 Euro ab. Die Publity-Aktien fielen noch stärker um fast 50 Prozent auf zwischenzeitlich knapp 15 Euro. Am Mittwochmorgen erholten sich die Papiere wieder auf 20 Euro.
Der Ausverkauf scheint vor allem im Streubesitz stattzufinden: Laut Publity haben seitens der Großaktionäre seit Mitte Februar 2021 keinerlei Käufe oder Verkäufe der Aktien stattgefunden. Auch in den kommenden Monaten seien keine Veräußerungen geplant.
Preos-Wandler im vergangenen Monat
Anleihen von Preos und Publity unter Druck
Das Vertrauen am Kapitalmarkt in Publity und Preos schwindet rapide, da die Vorgänge bei den beiden Firmen für Verunsicherung sorgen. Neben den unter Druck stehenden Aktien haben Preos und Publity auch zwei Anleihen am Markt, die sich steil nach unten bewegen.
So notiert eine 300 Millionen Euro schwere Wandelanleihe von Preos derzeit nur noch bei etwas mehr als 65 Prozent ihres Nennwerts. Vor einer Woche waren es noch über 80. Ein 100-Millionen-Euro-Bond von Publity notiert ebenfalls nur noch bei etwas mehr als 65 Prozent und damit rund 20 Prozentpunkte unter dem Wert vom vergangenen Freitag. Diese Werte deuten auf eine Vertrauenskrise hin, die sowohl Preos als auch Publity bald lösen müssen.
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