Gut möglich, dass viele hiesige Unternehmen noch auskömmlich finanziert sind. Nach Einschätzung von Ingo Nolden, Co-Head European Corporate DCM bei HSBC, sollten Treasurer mit Finanzierungsbedarf jedoch nicht zulange warten: „Das Sentiment hat sich seit Jahresbeginn enorm stabilisiert. Es ist viel Liquidität im Markt, für die nach Anlagen gesucht wird. Wenn also Unternehmen auf absehbare Zeit Finanzierungsbedarf haben, sollten sie aktuell aktiv werden.“ Wie lange das positive Umfeld halte, lasse sich schwer abschätzen.
Für wenig zielführend hält Nolden die Taktik, erst einmal abzuwarten. „Es ist jetzt nicht die Zeit bei Finanzierungen vielleicht auf Einsparungen von wenigen Basispunkten zu einem späteren Zeitpunkt zu hoffen“, argumentiert er. Er sieht darin auch eine Frage der Unternehmenskultur: „Wenn zum Beispiel ein US-Treasurer Bedarf nach Liquidität hat, dann besorgt er sich die umgehend. Das Pricing ist da nicht unbedingt die primäre Entscheidungsgröße.“
Hiesige Treasurer ticken da seiner Beobachtung nach etwas anders. Allerdings hätten sie auch nach wie vor einen starken Bankensektor im Rücken, der beim Thema Fremdfinanzierung immer noch eine große Rolle spiele.
Ein weiteres Argument, ein zu langes Aufschieben von Anleiheemissionen grundsätzlich zu vermeiden, sei eine potentielle Sättigung aufseiten der Investoren. Nolden denkt dabei nicht zuletzt an den absehbar hoch bleibenden Finanzierungsbedarf des Energiesektors: „Wenn eine einzelne Branche am Primärmarkt zu lange zu dominant agiert, dann ist das aus Anlegersicht tendenziell unattraktiv.“
Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit für ein derartiges Überangebot sei die Immobilienbranche in den ersten Monaten des vergangenen Jahres. Hier betrug in Hochzeiten der Volumenanteil aus dem Sektor bis zu 40 Prozent. Seither hat die Investorennachfrage für Anleihen dieser Unternehmen abgenommen, wenngleich sich dies unter anderem auch durch andere Faktoren, wie den erhöhten Zinsniveaus begründen lässt.