Annemarie Decking ist Interims-Treasurerin.

Annemarie Decking

07.02.22
Persönlich & Personal

Interims-Treasury: „Man entdeckt oft weitere Baustellen“

Vor allem Unternehmen mit PE- oder Restrukturierungshintergrund haben derzeit Bedarf an Interims-Treasurern. Die Treasurer auf Zeit müssen dabei einiges mitbringen.

Von der Festanstellung in das Interimsmanagement: Bereits seit 2018 ist Annemarie Decking auf dem Markt für Interims-Treasurer aktiv. Seitdem hatte sie schon mehrere Positionen inne: Bei SGL Carbon, den MV Werften (2018), der GTA Group und der Fritz Meyer Holding. Insbesondere seit der Coronakrise beobachtet sie: „Der Markt für Interims-Treasurer wächst.“

In der Vergangenheit war auch oft die Rede davon, dass mehr Finanzvorstände auf Zeit angestellt werden, Decking sieht diese Entwicklung nun auch vermehrt für Treasury-Führungspositionen. „In Summe gibt es heute aber immer noch mehr interimistische CFOs als Treasurer.

Interims-Treasurer haben klare Agenda

Auch Paul Taaffe, CEO der Personalvermittlung Finance People Solutions (FPS), beobachtet: „Interims-CFOs und Interims-Treasurer sind ganz normal geworden.“ Die Finanzer auf Zeit kommen in der Regel mit einer ganz klaren Agenda zum neuen Arbeitgeber. „Dass ein Interimer hinzugeholt wird, ergibt sich meist aus der Situation.

Wenn ein Unternehmen vor einer größeren strukturellen Veränderung steht, gehen die bis dahin agierenden CFOs oder Treasurer oft von Bord“, hat Decking beobachtet. Dann werde jemand hinzugezogen, der schon Erfahrung mit der neuen Situation habe und „den Übergang gestalten könne“. Das Ziel des Interimers ist, nach Abschluss eines solchen Projektes die Aufgaben reibungslos an die danach dauerhaft zuständigen Personen zu übergeben.

Interimer haben wertvolles Projektwissen

Klassische Situationen, in denen Interimer zum Einsatz kommen, sind M&A- und Private-Equity-Deals, Börsengänge, Restrukturierungen und Transformationsprojekte. Den jetzigen Zuwachs an Interimsmanagern im Treasury erklärt sie vor allem damit, dass es mehr Restrukturierungsfälle seit der Krise gibt. Auch im Bereich der Unternehmen in Private-Equity-Besitz spürt sie eine höhere Nachfrage. „Es gibt Situationen, in denen es besonders wichtig ist, Treasurer im Unternehmen zu haben, die sich damit gut auskennen und wissen, wie sie agieren müssen“, sagt sie.

Decking zum Beispiel wird gerne bei Unternehmen mit Private-Equity-Hintergrund eingesetzt. „Zudem ist es auch aus Sicht der Treasurer attraktiv, in solchen Unternehmen zu arbeiten. Nach meinen Erfahrungen steht bei PE-Unternehmen vor allem das Treasury im Fokus und erhält viel Aufmerksamkeit und Ressourcen.“ Seit Februar 2021 ist sie bei ihrem aktuellen Auftraggeber, der nicht preisgegeben werden will, und betreut dort die Treasury-IT eines Carve-outs. Der Konzern hat sich in drei Gruppen aufgespalten und dabei die Treasury-Systeme separiert, Decking übernimmt die IT-Implementierung der Treasury-Systeme für eine dieser Gruppen.

Trotz des Terminplans könnte ihre Station sich noch verlängern – denn das sei typisch für den Job. „Während der Interimer ein Projekt begleitet, entdeckt er oft weitere Baustellen. Man sollte sich nicht nur auf das spezielle Projekt fokussieren, sondern darüber hinaus auch durch breite Erfahrung Punkte erkennen, die das Unternehmen besser machen kann“, weiß Decking, die vor ihrer Interimskarriere Head of Corporate Treasury bei der Kuoni Group und Leiterin Konzern-Treasury und Corporate Finance bei Drägerwerk war. Daraus ergäben sich auch oft Anschlussprojekte, die der Interimer bei dem Unternehmen umsetzen könne.

Interims-Treasury: Mehrere Mandate gleichzeitig

Es gibt auch Treasurer, die mehrere Mandate gleichzeitig haben. Hans-Peter Fekter arbeitet zum Beispiel so. Er arbeitete unter anderem für Escada oder Pfisterer als Interims-Treasurer. Für Fekter ist das eine gute Möglichkeit, um Leerlauf zu füllen. Decking hält dagegen: „Man darf nicht unterschätzen, dass es viel Aufwand ist, sich erst mal neu in die Bilanzen und Strukturen eines Unternehmens einzuarbeiten. Wenn man das gleich für mehrere macht, könnte die Qualität der Arbeit darunter leiden.“

So sei Interimer auch kein Job für jeden. „Sie müssen gut mit Stress umgehen und sich schnell in neue Situationen reinfinden können“, sagt Decking zu den Anforderungen. Dafür brauche es umfassende Berufserfahrung: „Interimer sind meist um die 50 Jahre und wissen genau, wie sie zum Beispiel mit Banken oder Aufsichtsräten umgehen müssen.“ Zudem gibt es auch Phasen, in denen sie kein Projekt haben. Da bräuchte es die Gelassenheit und finanzielle Rücklagen, um diese Zeit zu überbrücken.

s.backhaus[at]dertreasurer.de