Das Brexit-Referendum hat das britische Pfund heftig erschüttert. Der Wechselkurs fiel innerhalb weniger Stunden von über 1,40 Euro pro Pfund auf unter 1,20. Doch das Ende der Fahnenstange ist womöglich noch nicht erreicht: Selbst nach der Ernennung von Theresa May zur neuen britischen Premierministerin liegen die Volatilitäten für einjährige Optionen noch bei mehr als 10 Prozent. Dies bedeutet für Exporteure ein nach wie vor hohes Risiko, weitere Verluste sind alles andere als ausgeschlossen.
Dazu kommt ein verändertes Marktsentiment: Die sogenannten Risk Reversals liegen seit Beginn des Jahres weit im negativen Bereich und haben sich auch nach dem Referendum bei -1,25 Prozent eingependelt. Dies bedeutet, dass aus Händlersicht das Pfund weiter zu fallen droht – ein Alarmsignal für jeden Treasurer.

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Brexit: Diese Hedging-Varianten haben Treasurer jetzt
Treasurer sollten verschiedene Hedging-Varianten durchrechnen
Die Frage ist, mit welchen Hedging-Instrumenten sich Unternehmen jetzt absichern können. Der Klassiker ist das Termingeschäft (Forward Contract). Treasurer sollten aber auch Optionen in Betracht ziehen, da sie gegenüber Termingeschäften oft besser abschneiden. Statt gewöhnlicher Devisentermingeschäfte gibt es zudem „Termingeschäfte mit Chancen“ (Forward Plus/Extra) oder „Termingeschäfte mit Zielvorgaben“ (Target Forward). Diese Derivate sind teilweise komplex, bieten aber gerade in der aktuellen Marktphase durchaus attraktive Möglichkeiten.
Welches Instrument liefert welches Ergebnis? Als Beispiel für die Abwägung verschiedener Varianten wird hier einen Kassakurs von 1,20 Euro pro Pfund unterstellt. Der Treasurer in diesem Szenario hat monatlich 10 Millionen Pfund zu verkaufen und will über ein Jahr sichern. Das Rechenbeispiel wird zeigen: Währungsabsicherung in volatilen Märkten ist herausfordernd, muss aber nicht teuer sein.
Hedging-Variante 1: Das Termingeschäft
Ein Termingeschäft zum Verkauf der jährlich 120 Millionen Pfund ließe sich zum Terminkurs von 1,1880 realisieren. Der Treasurer würde dafür 142,5 Millionen Euro erhalten. Dies ließe keine Kursverbesserung zu für den Fall, dass das Pfund wieder an Stärke gewinnt, was aber bei einer wirtschaftlich positiven Weiterentwicklung des Vereinigten Königreichs ein durchaus denkbares Szenario ist. Noch im März hätte der Treasurer für seine Pfund 152 Millionen Euro erhalten, also fast 10 Millionen Euro mehr.
Hedging-Variante 2: Die Option
Mit einer Option kann sich der Treasurer das Recht sichern, das Pfund-Cash in einem Jahr zum Kurs von 1,20 zu verkaufen, auch wenn die britische Währung dann im Wert gefallen ist. Diese EUR call GBP put Option würde aktuell 7 Millionen Euro kosten. Der Treasurer bekäme insgesamt 144 Millionen Euro, also schlimmstenfalls 1,5 Millionen Euro mehr als beim Termingeschäft. Abzüglich der Optionsprämie wären es 5,5 Millionen EUR weniger. Der Vorteil der Option besteht aber in der Flexibilität: Sollte der Pfundkurs wieder auf 1,35 steigen, bekäme der Treasurer 162 Millionen Euro, also nach Abzug der Optionsprämie 12,5 Millionen EUR mehr als beim Termingeschäft.
Hedging-Variante 3: Termingeschäft mit Zielvorgabe
Bei einem Termingeschäft mit Zielvorgabe (Target Forward) tauscht der Treasurer jeden Monat 10 Millionen britische Pfund zum Kurs von 1,2625 in 12,625 Millionen Euro um. Dies ist ohne Prämienzahlung möglich. Allerdings ist der damit erzielte Gewinn in diesem Beispiel vertraglich auf insgesamt 30 Cent pro Pfund (30 Big Figures) beschränkt. Dies bedeutet: Sollte der Kassareferenzkurs am Ende des ersten Monats immer noch bei 1,20 liegen, so erhält der Treasurer einen Euro-Betrag, der sich aus dem vereinbarten Kurs von 1,2625 ergibt, also 6,25 Big Figures besser als der Markt.
Das Termingeschäft endet, sobald der kumulierte Gewinn erstmalig 30 Big Figures erreicht. Dies könnte passieren, wenn die Kassareferenzkurse in den folgenden fünf Monaten jeweils bei dem aktuellen Niveau von 1,20 lägen. Damit wäre der Target Forward nach fünf Zahlungsterminen beendet. Das Ergebnis: Der Treasurer hätte insgesamt 50 Millionen Pfund in 63,125 Millionen Euro getauscht, würde für die verbleibenden sieben Monate möglicherweise einen neuen Target Forward abschließen und insgesamt 150,625 Millionen Euro einnehmen. Das sind rund 8 Millionen EUR mehr als beim oben beschriebenen Standard Termingeschäft.
Der Gewinn ist allerdings auf diese Summe beschränkt – anders als bei der Variante 2 mit Option, wo der Treasurer unbegrenzt an einer potentiellen Pfund-Aufwertung partizipiert. Sollte das Pfund jedoch schnell weiter fallen, würde die Option (137 Millionen Euro) schlechter abschneiden als der Target Forward (140 Millionen Euro).Das Termingeschäft aus Variante 1 wäre in dem Fall das vorteilhafteste Geschäft.
Die mit Abstand beliebteste Absicherungsstrategie ist das Nichtstun und Warten auf bessere Zeiten. Dies bedeutet, dass der Treasurer am Ende des Jahres zum dann aktuellen Kassakurs seine Pfunde verkaufen muss. Sollte der Kurs wirklich auf 1,1000 Euro pro Pfund fallen, dann bekäme er nur noch 132 Millionen EUR. Im Vergleich zum Nichtstun ist das Termingeschäft mit Zielvorgabe fast immer vorteilhafter.
Hedging-Variante 4: Termingeschäft mit Chance
Beim Termingeschäft mit Chance (Forward Extra) sichert sich der Treasurer für einen worst case von etwa 1,1780, also 1 Big Figure schlechter als der Terminkurs. Er kann aber an einer für ihn vorteilhaften Aufwertung des Pfundes bis zum Kurs von 1,2940 partizipieren und bekäme damit bestenfalls 155,28 Millionen Euro, im schlechtesten Fall 141,36 Millionen Euro. Das wären also immer noch rund 4 Millionen Euro mehr als bei der Optionsvariante im schlechtesten Fall.
Alles andere spielt sich dazwischen ab – vorausgesetzt, der Pfundkurs überschreitet während der Laufzeit nicht die Schwelle von 1,2940. Erwartet der Treasurer eine leichte Pfunderholung und will sich dennoch prämienfrei für einen worst case absichern, wäre Variante 4 eine sinnvolle Alternative.
Richtig sichern in Märkten mit hoher Volatilität
Das Ergebnis: Mit der Option kauft der Kunde implizit Volatiliät („teuer“), mit dem Target Forward oder Forward Extra verkauft er implizit Volatilität („billig“). Man kann also nicht pauschal sagen, dass in Märkten mit hohen Volatilitäten Absicherungsstrategien teuer sind. Es kommt hier für den Treasurer darauf an, die Marktsituation zu seinem Vorteil zu nutzen.
Um es klar zu sagen: Es geht bei allen diesen vorgeschlagenen Varianten nicht darum, zu zocken, sondern die für das Unternehmen beste Variante zu finden, um die Einnahmenseite zu sichern. Für den Treasurer ist wichtig, dass er alle Varianten kennt und prüft, welche von ihnen für seine Anforderungen am besten passt. Entscheidend ist dabei, wie risikotragfähig die Bilanz des Unternehmens ist. Alle Varianten sind Hedge-Accounting fähig (nach IFRS 9) und gehören heute weltweit zu den üblichen Vorgehensweisen.
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Faustregel: In einem Marktumfeld nach einer Kassakursstabilisierung, wenn die Volatilitäten aber noch hoch sind, also der Wechselkurs sich noch sozusagen in der Reha befindet, sind die vorteilhaftesten Geschäfte für Treasurer diejenigen, in denen sie implizit Volatilität verkaufen. Dies ist beim Termingeschäft mit Chance oder Zielvorgabe der Fall.

Uwe Wystup ist Gründer und Managing Director der MathFinance AG mit Sitz in Frankfurt und Professor für Optionsbewertung und Devisenderivate an der Universität Antwerpen und Honorarprofessor für Quantitative Finance an der Frankfurt School of Finance & Management.