Unternehmen kämpfen im Zuge des Ukraine-Kriegs mit leeren Warenlagern.

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28.04.22
Risiko Management

Der Ukraine-Krieg und die Beschaffungskrise

Russlands Invasionskrieg in der Ukraine stellt die Welthandelsordnung auf den Kopf. Müssen Unternehmen ihre Working-Capital-Strategien überdenken?

Die Invasion Russlands in der Ukraine wirft zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren ein Schlaglicht darauf, wie sehr die globalen Warenströme zusammenhängen - und wie verletzlich sie sind. „Was auch immer wir geglaubt haben, an einer vernünftigen Welthandelsordnung zu haben, ist durch den Krieg in der Ukraine ausgehebelt worden“, sagt Michael Dietz, Global Head of Trade Finance Flow bei der Deutschen Bank.

Working Capital Management wird schwieriger

Ist es daher Zeit für Unternehmen, ihre Working-Capital-Strategie zu überdenken? „Ja“, sagt Birgit Deisinger Törnell von der Kooperationsberatung Skat Consulting. „Die Lieferketten waren in den vergangenen zwei Jahrem stark durch Covid geprägt, speziell in der verarbeitenden Industrie“, sagt die Expertin. „Mein Eindruck ist, dass es zunehmend schwieriger wird, die Warenlagerbeschaffung zu managen.“ Momentan müsse man froh sein, wenn man überhaupt an die gewünschte Ware komme.

Aus Sicht der Working-Capital-Spezialistin, die bis vor kurzem für den Schweizer Industriekonzern Bühler gearbeitet hat, sollten Treasury-Abteilungen schauen, ob man die Warenlager wirklich möglichst schlank halten muss. „Es kann sinnvoll sein, etwas größere Lagerbestände zu haben, damit man von einem akuten Mangel nicht so stark beeinflusst wird.“ Unternehmen sollten zudem ins Forecasting investieren, um zukünftige Bedarfe besser abschätzen zu können: „Die Bestände können mit den Mitteln der Digitalisierung viel besser bewirtschaftet werden.“ 

Treasurer sollten Risiken diversifizieren

Deutsche-Bank-Manager Dietz sagt: „Unternehmen sollten ihre Abhängigkeiten von einzelnen Volkswirtschaften und Regionen, die politisch instabil sein könnten, prüfen.“ Dietz rät Unternehmen zu einer Diversifizierung und beobachtet, dass viele Unternehmen schon Pläne schmieden, in Emerging Markets wie beispielswiese nach Afrika auszuweichen.

Eine weitere wichtige Stellschraube ist die Lieferantenfinanzierung. Beraterin Deisinger Törnell ist sich sicher, dass Supply Chain Finance als Sieger aus der momentanen Krise hervorgehen wird. „Man darf eine schwierige wirtschaftliche Lage auf keinen Fall auf dem Rücken der Lieferanten austragen“, sagt sie. „Tools wie Dynamic Discounting oder Reverse Factoring geben Lieferanten eine große Flexibilität.“ In der Vergangenheit seien Zulieferer häufig mit langen Zahlungszielen ausgehungert worden, das müsse partnerschaftlicher werden, fordert Deisinger Törnell. „Ansonsten riskiert man, dass finanziell angeschlagene Zulieferer in die Insolvenz rutschen.“

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