Immer mehr Mittelständler nutzen Cash-Management-Systeme

Der Mittelstand gilt in der Welt der Treasury-Softwareanbieter als letzte weitgehend unerschlossene Zielgruppe. Während nahezu alle Großkonzerne eine Cash-Management- und Treasury-Lösung im Einsatz haben, nutzen gerade kleinere Mittelständler oftmals kein derartiges System. Doch das ändert sich offenbar gerade wie aus einer Studie der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) und der Commerzbank hervor geht, für die 44 Finanzverantwortliche in Unternehmen mit mehrheitlich bis zu 50 Millionen Euro Jahresumsatz befragt wurden.

Demnach nutzen 42 Prozent der Befragten ein Cash-Management-System, vor anderthalb Jahren waren es nur 36 Prozent. Bemerkenswerter ist aber eine andere Zahl: Hatten Ende 2015 lediglich 14 Prozent der befragten Mittelständler das System eines Softwareanbieters im Einsatz sind es nun ein Drittel. Dagegen verwenden nur noch 5 Prozent eine eigene Entwicklung, womit in der Regel Excel-Sheet gemeint sein dürften. Bei der letzten Umfrage nutzte noch jeder fünfte Befragte ein eigenes Tool. „Die Qualität der eingesetzten Lösungen hat sich verbessert“, sagt Studienautor Volker Wittberg. Produkte der Banken nutzen mit 64 Prozent in etwa gleich viele Befragte.

Negativzinsen steigern Bedeutung von Cash Management

Allerdings unterscheidet sich der Professionalisierungsgrad zum Teil deutlich, hat die Studie erbracht. Ein Blick auf die von Mittelständlern genutzten Features zeigt: Zwar betreiben alle befragten Zahlungsverkehr mit der Lösung, Liquiditätsplanung macht dagegen nur die Hälfte. An Bedeutung gewonnen hat gegenüber der vorangegangenen Umfrage vor allem das Controlling und Reporting: Auswertungen für das Management und die Banken erstellen aktuell die Hälfte der Befragten (2015: 29 Prozent). Außerdem macht inzwischen jeder dritte einen automatischen Abgleich zwischen Ist- und Plandaten (2015: 17 Prozent).

Als wichtigen Treiber für den zunehmenden Einsatz von Cash-Management-Systemen führt der Studienautor Wittberg vor allem das Negativzinsumfeld heran: „Wer ein System im Einsatz hat, der erhält mehr Transparenz darüber, wo im Unternehmen überflüssiges Cash liegt“, sagt der Wissenschaftler.

Er rät den Unternehmen verstärkt zwischen derjenigen Liquidität zu unterscheiden, die für den Betrieb des operativen Geschäfts notwendig ist sowie dem Geld, das längerfristig angelegt werden kann. Diese Differenzierung zwischen sogenannter operativer und strategischer Liquidität hat auch bei Großkonzernen an Bedeutung gewonnen, um Negativzinsen zu vermeiden.

Systeme schützen vor Cybercrime und Betrug

Jedoch fällt an anderer Stelle auf, dass der Mittelstand im Cash Management noch Verbesserungspotential hat: So sind in 30 Prozent der befragten Unternehmen mindestens vier Leute für das Cash-Management-System zuständig. Das sei zwar weder effizient noch sicher, aber keinesfalls unüblich, meint Frank-Oliver Wolf, Leiter Vertrieb Deutschland Zahlungsverkehr und Auslandsgeschäft der Commerzbank: „Wir erleben in unserer Praxis diverse Unternehmen, die nicht sagen können, wie viele Unterschriftsberechtigte es in ihrem System gibt.“ Gerade in Zeiten von steigender Bedrohung durch Betrüger und Cyberkriminelle im Zahlungsverkehr sei das nicht tragbar.

Allerdings ist auch in mehr als jedem zehnten befragten Unternehmen nur eine Person für das System zuständig. „Das Vier-Augen-Prinzip sollte der absolute Minimalstandard im Zahlungsverkehr sein“, sagt Studienautor Wittberg. Allerdings haben selbst einige Großkonzerne Defizite bei der Funktionstrennung und dem Zugang zu Zahlungsverkehrssysteme, wie das Beispiel ABB zeigt: Dem Schweizer Technologiekonzern wurden 100 Millionen US-Dollar gestohlen, verdächtigt wird der südkoreanische Treasurer.

Betrug: Commerzbank will formfreie Zahlungen eindämmen

Die Commerzbank hat auf die steigende Zahl an Betrugsfällen ebenfalls reagiert: „Wir haben zum 1. April die Gebühr für formfreie Zahlungen massiv von 2 auf 50 Euro erhöht“, sagt Wolf. Der Banker will dies als „erzieherische Maßnahme“ für die Kunden verstanden wissen, denn Zahlungsanweisungen per Fax oder formloser E-Mail seien eines der größten Einfallstore für Betrüger. „Der Aufschrei unter unseren Kunden war gering“, versichert der Banker. Er wisse zudem von einem anderen Institut dass für diese Zahlarten eine Gebühr von 150 Euro je Transaktion erhebe. Für die Mittelständler gilt so oder so: Allein aus Selbstschutz sollten sie sich überlegen, ob solche Zahlungen wirklich notwendig sind.

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