Laut Experte Börries Többiens von KPMG steht das Treasury bei der Umstellung auf SAP S/4 Hana nicht ganz oben auf der Prioritätenliste.

KPMG, SAP; Collage: DerTreasurer

18.07.23
Software & IT

SAP-Experte: „Große Unsicherheit durch TMS-Übernahmen“

Der KPMG-Experte Börries Többens begleitet Treasury-Abteilungen beim Wechsel zu SAP S/4 Hana. Im Interview spricht er über die Probleme der Unternehmen.

Herr Többens, Unternehmen und ihre Treasury-Abteilungen müssen in den kommenden Jahren auf S/4 Hana umstellen, sofern sie SAP-Kunde sind. Wo stehen Konzerne derzeit?
Wir sind jetzt mittendrin in der Transformation zu SAP S/4 Hana. Wir haben nicht den Eindruck, dass die meisten Konzerne die Umstellung bereits hinter sich haben. Einige wechseln auch erstmal mit dem Finanzsystem auf S/4 Hana und lassen das Treasury außen vor. Stattdessen bauen sie Schnittstellen zum bestehenden Treasury Management System. Das heißt: Erstmal machen die Unternehmen das Notwendigste, später kommt dann die Optimierung.

Das klingt nicht nach einem einfachen Projekt. 
Die Transformation im Finanzbereich zieht sich meist über mehrere Jahre, ist aber eigentlich nie wirklich abgeschlossen. Die Treasury-Abteilung ist immer auf viele Informationen aus dem ERP-System angewiesen, eine Zeit lang kann durch den Wechsel auf S/4 Hana die Bereitstellung der Informationen limitiert sein. Das Treasury als kleine Spezialeinheit muss mit diesen Einschränkungen leben.

Treasury-Abteilungen wenden sich SAP zu

S/4 Hana scheint Treasurer nicht abzuschrecken. Im Gegenteil: In einer Umfrage dieser Publikation kam heraus, dass immer mehr Treasury-Abteilungen das Treasury-Modul von SAP nutzen. Nehmen Sie das auch wahr?
Definitiv gehen Unternehmen weg von spezialisierten TMS-Anbietern und hin zu SAP. Das Thema beschäftigt uns auch. Für Konzerne und große Mittelständler ist das naheliegend, aber auch viele kleine Mittelständler wechseln meiner Beobachtung nach zu SAP. Es herrscht durch die zahlreichen Übernahmen am TMS-Markt eine große Unsicherheit, SAP ist da die verlässliche Konstante. Man darf das nicht unterschätzen, die Auswahl eines TMS ist in der Regel eine Entscheidung für gut zehn Jahre. So ein Einführungsprojekt ist schmerzhaft und kostet Ressourcen. Da überlegen Treasurer sich dreimal, für welchen Anbieter sie sich entscheiden.

SAP ist also die sichere Wahl?
Ja. Bei SAP hat man zudem wesentlich weniger Schnittstellen, da ist alles aus einem Guss. Cash Management, Zahlungsverkehr, Inhouse Bank, Risikomanagement und viele andere Bereiche: Bei SAP ist das alles auf einer Plattform, die sich aus den gleichen Daten speist. Das führt zu reibungsloseren Abläufen und verbessert die Datenkonsistenz.

Was sind die Nachteile dadurch?
SAP hat definitiv Grenzen in der Funktionalität. Treasury ist schließlich ein sehr spezifisches Feld. Non-SAP-Anbieter können etwa Themen wie Real-time-Cash-Informationen oder Hedge-Accounting-Lösungen in manchen Fällen besser abdecken. Treasury-Abteilungen müssen also die Entscheidung treffen, welche Limitierungen sie akzeptieren, welche Erweiterungen sie auf sich nehmen und welche Ansprüche sie an ein TMS haben. Darüber sollte ein Dialog zwischen der IT und dem Fachbereich stattfinden. Die IT möchte normalerweise eine hohe Standardisierung, was bei SAP-Kunden für das Treasury-Modul von SAP spricht, Treasurer legen meist mehr Wert auf die Abdeckung sehr spezieller Anforderungen. Da braucht es viel Kommunikation zwischen den Bereichen. 

Treasurer müssen Basics beachten

Worauf sollten Treasurer bei der Umstellung auf SAP S/4 Hana achten?
Man muss sich als Treasury-Organisation auf jeden Fall für Veränderungen öffnen. Viele migrieren nur eins zu eins das, was sie in der R/3 beziehungsweise ECC-Landschaft haben. Zudem sollte man seine Hausaufgaben machen, etwa auf die Sicherheit im Zahlungsverkehr achten. Mir ist beispielsweise ein Unternehmen bekannt, das S/4 Hana eingeführt hat, aber einen völlig anfälligen Sicherheitsprozess hatte. Wenn solche Basics vernachlässigt werden, bringt einem die neue Plattform auch nichts. 

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Fehler, die Unternehmen bei der Umstellung machen? 
Ein Problem ist, dass viele Treasurer den Mehrwert von S/4 Hana nicht wirklich nutzen. Viele wechseln nur, weil SAP 2027 den Support für R/3 einstellt und sie dazu zwingt, die Plattform zu wechseln. Sie sollten sich stattdessen fragen: Was sind die Auswirkungen auf die Treasury-Organisation und die Rollenstrukturen im Team? Denn Treasurer haben durch die Plattform neue Möglichkeiten. Sie haben beispielsweise eine höhere Transparenz und umfassendere Cash- oder Risikoinformationen. Treasurer können durch S/4 Hana ganz anders steuern, müssen aber als Treasury-Abteilung auch die Prozesse danach ausrichten. Das ist eine völlig neue Anforderung an die Organisation und das Personal.

Inwiefern?

Treasury-Mitarbeiter mussten früher Zahlen aus verschiedenen Quellen zusammentragen. Jetzt haben sie schnelleren Zugriff auf diese Daten. Durch S/4 Hana werden andere Fragestellungen aufkommen. Man sollte das Treasury-Team dafür ausbilden und Upskilling betreiben, damit sie die neuen Prozesse und die Systemlandschaft bedienen können und von der Investition profitieren.

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