Borrowing Base: eine Finanzierung, die „atmet“

Schwankende Rohstoffpreise, der Krieg in der Ukraine, Lieferkettenengpässe: Das wirtschaftliche und politische Umfeld zwingt Treasurer beim Thema Working Capital Management umzudenken. Eine Just-in-time-Lieferung ist für viele Unternehmen nicht mehr möglich. „Das Lager auf der Straße hat etwas Schlagseite bekommen“, bemerkt auch Nadine Bourgeois, Partnerin bei der Kanzlei Addleshaw Goddard. Stattdessen füllten sich vielerorts wieder die stationären Lager. „Warenbestände werden oft als totes Kapital bezeichnet“, erzählt Bourgeois, „dabei kann man eine Möglichkeit finden, sie zu mobilisieren und für Finanzierungen nutzbar zu machen.“ „Das Lager auf der Straße hat etwas Schlagseite bekommen.“ Nadine Bourgeois, Addleshaw Goddard Gelingen kann das zum Beispiel durch eine Borrowing-Base-Finanzierung. Bei dieser speziellen Form der Finanzierung des Umlaufvermögens wird ein Kreditrahmen vereinbart, der schnell und flexibel in Anspruch genommen werden kann. Die Höhe des Kreditrahmens ergibt sich aus den gestellten Sicherheiten. Als Borrowing Base dienen die Bestände des Umlaufvermögens. „Borrowing-Base-Kredite sind ein echtes Konkurrenzprodukt zu Betriebsmittellinien, gerade wenn Banken diese nicht mehr unbesichert begeben“, sagt Bourgeois. „Sie bieten die Möglichkeit, ohne großen Aufwand und nur mit beschränkten Sicherheiten eine Finanzierung abzuschließen“, erklärt die Anwältin weiter. Lagerbestände müssen gemeldet werden Doch ganz ohne Aufwand lässt sich auch eine Borrowing-Base-Finanzierung nicht stemmen. Neben genügend Kapazitäten in der Finanzabteilung sollten sich Treasurer im Vorfeld auf Gruppenebene Gedanken über ihren Finanzierungsbedarf und ihre genauen Warenbestände machen. „Eventuell müssen dafür – soweit dies möglich ist – Warenbestände innerhalb der Gruppe verlagert werden“, erklärt Bourgeois. Ebenfalls zu beachten: Bei einer Borrowing-Base-Finanzierung muss der Kreditnehmer seine Lagerbestände regelmäßig melden, damit der Kreditrahmen revolvierend angepasst werden kann. Üblicherweise gibt es auch eine Prüfung durch den Kreditgeber, um nicht einem Betrug anheimzufallen. „Wie das Reporting umgesetzt werden kann, sollte daher in jedem Fall vorher geklärt werden“, sagt Bourgeois. In so manchem Fall hätten sich hier Schwierigkeiten ergeben, beispielsweise durch die Umstellung der Betriebssoftware. Ist die Linie jedoch einmal aufgesetzt, sei sie relativ simpel, meint Bourgeois. Für Unternehmen mit einem saisonalen Geschäftsmodell oder Unternehmen, deren Geschäft großen Preisschwankungen unterworfen sei, sei eine solche Kreditlinie besonders geeignet. Denn im Gegensatz zum Betriebsmittelkredit ist ihr Rahmen nicht starr. Er „atmet“ mit dem wechselnden Bedarf des Unternehmens. Nicht alle Waren als Sicherheit geeignet Ein wichtiger Punkt ist die Frage, welche Warenbestände als Sicherheit akzeptiert werden. Leicht verderbliche Waren scheiden aus, am leichtesten lassen sich börsennotierte Commodities finanzieren. Was genau möglich ist, muss mit dem Kreditgeber besprochen werden. In Zeiten, in denen Unternehmen ihre Waren zunehmend von der Straße wieder in die Hochregale verlagern, bietet eine Borrowing-Base-Finanzierung also die Möglichkeit, den eigenen Lagerbestand zu mobilisieren und nutzbar zu machen. Treasurer sollten diese spezielle Art der Kreditlinie bei ihrem Working Capital Management daher im Hinterkopf behalten.

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