Adler: Stresstest für die Finanzabteilung

Große Dramen spielen sich in der Immobilienbranche immer wieder ab. Dafür ist der Sektor mit seiner hohen Zins- und Fremdkapitalsensitivität scheinbar prädestiniert. Der (tiefe) Fall der Berliner Adler Group ist ein solches Beispiel, bei dem allerdings noch eine relativ unglückliche Fusion dazukam. Shortseller-Attacke, Aktiencrash, Prüfungsverweigerung, Bilanzfehler, Milliardenverluste und -schulden sind die Eckpfeiler dieses seit Oktober 2021 laufenden Thrillers. CFO Thorsten Arsan. Foto: AdlerDer Ausgang ist zwar noch immer offen, doch es gibt deutliche Zeichen der Entspannung. „Adler prüft alle Optionen aus eigener Kraft und ohne Druck“, sagt Thorsten Arsan, der seit November 2024 CFO bei Adler ist, im Gespräch mit DerTreasurer. Dazu hat auch die Finanzabteilung um Bereichsleiter Sven Döbeling, der im Januar 2021 zur Adler Group kam, beigetragen. Zu diesem Zeitpunkt war die Lage bei den Berlinern noch heiter. Die Immobilienmärkte boomten, die Leitzinsen lagen auf historisch niedrigem Niveau.Im März und Juni 2020 hatte Adler Real Estate mit Ado Properties und Consus Real Estate fusioniert. Mit etwa 70.000 Mietwohnungen im Bestand und weiteren rund 10.000 in der Projektentwicklungs-Pipeline entstand so einer der größten Immobilienkonzerne in Europa. Diese von Investoren kritisch gesehene Fusion sollte aber zum Problem werden, deutlich sichtbar am Aktienkurs. Lag dieser zum Jahreswechsel 2020/21 noch bei rund 29 Euro, ist das Papier heute ein Pennystock von rund 20 Cent. Finanzleiter Sven Döbeling. Foto: AdlerEin wichtiger Grund: Mit den Übernahmen stieg die Verschuldung deutlich an, Ende 2020 lag sie bei rund 8 Milliarden Euro. „Wir haben uns Anfang 2021 daran gemacht, einen Teil der Schulden zu refinanzieren. Mit einer Anleihe über 1,5 Milliarden Euro zu günstigen 2 Prozent ist uns das grundsätzlich auch gelungen“, erinnert sich Döbeling.Heftige Shortseller-Vorwürfe gegen AdlerDoch im Anschluss drehte sich der Wind gegen Adler. Zunächst erhob der britische Shortseller Fraser Perring im Oktober 2021 schwere Vorwürfe, wonach Adler eine „Brutstätte für Betrug, Täuschung und finanzielle Falschdarstellung“ sei, mit dem Ziel, „die wahre Finanzlage zu verschleiern“. Im Kern warf Perring dem Konzern und Hinterleuten wie dem umstrittenen Investor Cevdet Caner vor, dass er besser kapitalisierte Unternehmen kaufe, um ihnen Schulden aufzubürden, und über nicht offengelegte Transaktionen mit nahestehenden Personen Geld abziehe. „Bis heute konnten diese Anschuldigungen nicht belegt werden.“ Thorsten Arsan, CFODer Shortseller hielt darüber hinaus die Immobilien in Adlers Portfolio für extrem überbewertet und bezifferte den Korrekturbedarf damals auf rund 2,3 Milliarden Euro. „Bis heute konnten diese Anschuldigungen nicht belegt werden. Insbesondere stellte sich die Bewertung der Bestandsimmobilienportfolios als korrekt heraus“, sagt CFO Arsan.Nur etwa ein Jahr nach dem Wirecard-Skandal stieß der Fraser-Perring-Bericht an den Aktien- und Kapitalmärkten jedoch auf enorme Resonanz. Adler wehrte sich umgehend mit Stellungnahmen und externen Prüfern. Parallel drückte der Konzern seine Verschuldung mit mehreren großen Portfolioverkäufen.Big-Four-Haus KPMG verweigert BilanzprüfungDoch als im April 2022 der Wirtschaftsprüfer KPMG Adler zwar noch prüfte, aber das Bilanztestat verweigerte und parallel die EZB die Zinswende nach oben einleitete, zog sich die Schlinge immer weiter zu. Bereits für das Geschäftsjahr 2021 ergab sich aufgrund von Abschreibungen vor allem auf brachliegende Projekte von Consus ein Verlust von knapp 1,2 Milliarden Euro. „Es war der perfekte Sturm, zumal KPMG im Mai 2022 auch noch das Prüfungsmandat für 2022 ablehnte“, bringt es Döbeling auf den Punkt.Schnell sei damals klar gewesen, dass die Adler-Gruppe keinen Zugang zum Kapitalmarkt mehr haben würde. Da von den 8 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten aber rund 5 Milliarden Euro auf Kapitalmarktinstrumente entfiel, war guter Rat nun allerdings teuer – 2022 bis 2024 mussten rund 1,8 Milliarden Euro davon refinanziert werden.Die Adler Group versuchte deshalb unter anderem, mit verschiedenen Gläubigergruppen über die Anpassung bestehender Finanzierungen zu verhandeln, was vereinzelt auch gelang. „Das war schon spannend: Ich erinnere mich an Gespräche, in denen es zunächst um eine Mini-Tranche einer Sparkasse in einem Schuldscheindarlehen ging, nur um im nächsten Call dann über Milliardenbeträge mit internationalen Fonds zu sprechen.“Adler saniert sich in GroßbritannienDiese extreme Kleinteiligkeit der Passivseiten von Adler, Ado und Consus hätte das Unterfangen, einen Ausgleich der Interessen aller Gläubiger zu erreichen, besonders erschwert. „Wir waren in Verhandlungen teilweise nicht sprechfähig, da wir noch auf Rückmeldung von anderen Gläubigern warten mussten. Das zu moderieren, war wirklich nicht trivial“, so Döbeling.Ende 2022 scheiterte Adler dann denkbar knapp mit dem Versuch, die Anleihebedingungen von sechs Bestandsanleihen über insgesamt rund 3,2 Milliarden Euro anzupassen. Adler hätte damals die Zustimmung von jeweils 75 Prozent der Anleihegläubiger gebraucht – der Konzern erreichte diese Schwelle jedoch nur bei fünf von sechs Schuldverschreibungen. Als Plan B wählte der Immobilienkonzern anschließend eine Restrukturierung über das britische Verfahren „Restructuring Plan“. Erneut war die Finanzabteilung stark involviert, nicht zuletzt bei der Gründung der dafür benötigten englischen Tochtergesellschaft, die als neue Hauptschuldnerin für die Anleihen etabliert wurde.Im April 2022 genehmigte der Londoner High Court schließlich den Restrukturierungsplan. Anleihegläubiger stellten Adler knapp 1 Milliarde Euro an neuen Mitteln zur Verfügung und streckten die Rückzahlungen für bestehende Anleihen. „Das war eine wichtige Grundlage, um wieder halbwegs vor die Kurve zu kommen. Vor allem mussten wir ab da Immobilienportfolios nicht mehr notverkaufen, um über Wasser zu bleiben“, sagt Döbeling.Adler schuldet Kapitalmarktverbindlichkeiten umDer Gerichtsbeschluss erleichterte auch die ab Herbst 2024 durchgeführte erweiterte finanzielle Restrukturierung. Dabei konnte Adler unter anderem eine Umwandlung von 2,3 Milliarden Euro Kapitalmarktverbindlichkeiten in nachrangige Anleihen, die Erhöhung des zuvor im April 2023 bereitgestellten Restrukturierungskredits um einen hohen zweistelligen Euro-Millionenbetrag sowie Laufzeitenverlängerungen von Kapitalmarkt- und Bankverbindlichkeiten bis mindestens 2028 erreichen. Döbeling beschreibt die Verhandlungen als sehr konstruktiv.Im ersten Quartal 2025 gelang es Adler nochmals, die Konditionen von 2 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten zu optimieren. „Durch Zinsanpassungen sparen wir uns dadurch insgesamt rund 134 Millionen Euro ein“, so CFO Arsan. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die abgeschlossenen Refinanzierungen sind noch immer sehr teuer. Eine im Januar 2025 angepasste Fazilität über 717 Millionen Euro etwa ist mit jährlich 10 Prozent verzinst, wobei diese als PIK Notes endfällig Ende 2029 zu entrichten sind.Nach Angaben von CFO Arsan liegt die durchschnittliche Verzinsung des Fremdkapitals aktuell bei rund 7 Prozent. Die Rendite des mittlerweile auf rund 18.000 Einheiten geschrumpften Portfolios beträgt indes nur rund 3,5 Prozent. „Das passt also noch nicht zusammen, aber wir sind auf dem richtigen Weg“, so der CFO.Verkaufserfolge am TransaktionsmarktAls problematisch gilt speziell der Projektentwickler Consus – viele der Projekte wie die früheren KWU-Türme am Offenbacher Kaiserlei sind nicht fertiggestellt. Immerhin konnte Adler hier nach langer Suche zuletzt einen Käufer finden, dasselbe gilt für die Entwicklungsprojekte Holsten Quartier (Hamburg) und Schwabenlandtower (Stuttgart).Die Finanzabteilung arbeite daher an der weiteren Optimierung der Kapitalstruktur, grundsätzlich sei Adler nun aber bis Ende 2028 durchfinanziert und hänge nicht mehr am Tropf der Kapitalmärkte. Auch der für die Immobilienbranche wichtige Verschuldungsgrad Loan-to-Value (LTV), der zwischenzeitlich bei über 100 Prozent lag, konnte auf halbwegs komfortable 72 Prozent gesenkt werden. „Wir können endlich wieder agieren, statt immer nur zu reagieren“, betont Arsan. Zugute kommt Adler dabei, dass der Immobilientransaktionsmarkt nach schwierigen Jahren wieder angesprungen ist.Trotz der Fortschritte steckt Adler noch immer tief in der Verlustzone. Im ersten Halbjahr belief sich das Ergebnis aus der laufenden Geschäftstätigkeit auf minus 215 Millionen Euro, im Vorjahreszeitraum waren es minus 319 Millionen Euro gewesen. Wesentlicher Grund sind weitere Abschreibungen auf Projektentwicklungen. Thorsten Arsan will sich nicht festlegen, wann Adler die Verlustzone voraussichtlich verlassen kann.Drei Jahre zur Optimierung für Adler„Wir wollen die nächsten drei Jahre nutzen, um unsere Plattform weiter zu optimieren und neue strategische Optionen zu eröffnen“, sagt Arsan. Das Adler-Kerngeschäft, der Berliner Wohnungsmarkt, biete mit seinen starken Fundamentaldaten dafür gute Voraussetzungen.Marktgerüchte, wonach im Sommer Investmentbanken mit dem Verkauf des rund 3,5 Milliarden Euro schweren Adler-Berlin-Portfolios beauftragt wurden, dementiert der CFO nicht: „Adler prüft alle Optionen, um die Interessen unserer Stakeholder bestmöglich zu berücksichtigen. Hierbei lassen wir uns von einer Investmentbank unterstützen.“ Die Adler-Saga geht also in die nächste Runde.

Der BER finanziert sich erstmals ohne den Staat

Covestro ist Treasury des Jahres 2025