Bankerin Musić: „Markt war für Blockchain-Lösungen noch nicht bereit“

Lange seien Banken im Trade-Finance-Bereich mit fertigen Lösungen zu den Unternehmenskunden gegangen, berichtet Selma Musić, die seit Anfang Juni den Bereich Global Trade Solutions bei HSBC Deutschland leitet. „Heute funktioniert das nicht mehr, es geht viel häufiger um Co-Creation und darum, eine maßgeschneiderte Lösung zu finden.“ Was meint Musić damit? Besonderer Fokus liege derzeit auf dem E-Commerce-Bereich, gerade in den vergangenen 18 Monaten habe sich in diesem Segment viel getan. „Wir sehen, dass Unternehmen verstärkt auch im B2B-Bereich ihre Wertschöpfungskette direkt bedienen wollen und dafür eigene digitale Handelsplattformen entwickeln“, so die Bankerin. Die Nachfrage nach entsprechenden Point-of-Sale-Finanzierungslösungen, bei denen Käufern eine Finanzierung im Kaufprozess angeboten wird, steige deshalb. Neben dem technologischen Fortschritt, der solche Lösungen ermögliche, sieht Musić auch das volatile Marktumfeld als Treiber für die Entwicklung. „Unternehmen können so noch schneller agieren und ihre Kunden direkt bedienen.“ Beispiele dafür gebe es unter anderem in der Chemie- und Industriegüterbranche. Auch Banken haben Supply-Chain-Finance(SCF)-Plattformen entwickelt, so auch die HSBC in Kooperation mit einem Fintech, worüber sie rund 3,3 Milliarden Euro jährlich finanziert. Musić ist mit dem Erfolg der Plattform zufrieden, sieht aber weiteres Wachstumspotential. „Wichtig ist dabei, eine bankagnostische Lösung anzubieten, die auch skalierbar ist“, betont die Bankerin. Knackpunkt Onboarding Der größte Knackpunkt für den Erfolg eines Supply-Chain-Finance-Programms sei immer der Onboarding-Prozess der Lieferanten. „Dieser Prozess darf nicht kompliziert sein.“ Die HSBC löst dieses Problem über einen Instant-Onboarding-Prozess, bei dem die Lieferanten keinen KYC-Prozess durchlaufen müssen. „Dadurch gibt es keine Selektion der Lieferanten, große sowie kleine und mittelständische Unternehmen werden gleichbehandelt.“ Das ist ein großer Vorteil, denn der KYC-Prozess gilt als langwierig und kompliziert. Eine andere Trade-Finance-Plattform, an der die HSBC beteiligt war, stellte wiederum im vergangenen Herbst den Betrieb ein: die Blockchain-Plattform Contour. Auf Basis der Blockchain-Technologie sollte über sie die digitale Ausstellung, Verwaltung und Bearbeitung von Akkreditiven ermöglicht werden. „Es hat sich herausgestellt, dass der Markt für Blockchain-Lösungen noch nicht bereit war“, so Musić. Sie geht davon aus, dass es noch eine Weile dauern wird, bis solche Lösungen im Trade Finance Fuß fassen. „Davor ist noch eine weitere Digitalisierung bei den Transportwegen, Schiffen, Häfen und so weiter erforderlich“, glaubt sie. Sustainable SCF im Fokus Aus ihrer Sicht liegt der Fokus allerdings noch nicht stark genug auf dem Thema Sustainable SCF. „Geschätzt nur etwa 10 Prozent der Unternehmen, die SCF nutzen, bauen ESG-Komponenten ein.“ Viele Unternehmen seien derzeit stark mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz beschäftigt und ihre Kapazitäten begrenzt. „Außerdem ist der finanzielle Anreiz solcher Programme noch zu gering. Um teilzunehmen, ist oft ein ESG-Rating erforderlich, was in der Erstellung um die 30.000 Euro kosten kann. Für kleinere Lieferanten ist das zu viel und die Unternehmen suchen mit den Banken nach alternativen Wegen, ihre Lieferanten zu unterstützen“, sagt sie. Dass der Nachhaltigkeitsdruck auf die Lieferkette dennoch steigen wird, davon ist Musić überzeugt. „Es wird jetzt wichtig werden, dass Unternehmen ihre Scope-3-Emissionen in den Blick nehmen“, erklärt sie. Bei den großen Konzernen sieht sie den Willen, die Supplier bei der Transformation zu begleiten. Die Folge dürften jedoch hohe Folgeinvestitionen bei den Lieferanten sein, die wiederum finanziert werden müssten.

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