Kyriba: DACH-Eroberung im zweiten Anlauf?

Kyriba – was nach einer Figur aus der griechischen Mythologie klingt, ist tatsächlich eine Anspielung auf die kleine Inselgruppe Kiribati im Pazifik. Direkt an der Datumsgrenze gelegen, dürfen die rund 130.000 Einwohner auf Kiribati stets als Erste das neue Jahr begrüßen. So auch im Jahr 2000, das nicht nur der Beginn des neuen Jahrtausends war, sondern auch das Gründungsjahr des TMS-Anbieters Kyriba.Traditionell wird das Unternehmen mit den USA assoziiert: Dort liegt zum einen seit 2003 der Hauptsitz im sonnigen San Diego, Kalifornien, und zum anderen ist es der neben Frankreich mit Abstand wichtigste Markt für Kyriba. Tatsächlich wurde die Saat für das Unternehmen aber bereits Jahre zuvor, rund 9.000 Kilometer östlich, in Deutschland gelegt. Genau genommen im Commerzbank-Turm in Frankfurt am Main.Rudolf Schlett, heute Treasury-Personalberater und damaliger Geschäftsführer von XRT Deutschland, einem Anbieter von Treasury Management Software, der später an Sungard und Sage verkauft wurde, wurde 1999 von der Commerzbank gebeten, für die Mittelstandskunden der Bank eine Cloud-basierte Treasury-Management-Lösung zu konzipieren. „Die Lösung nannte sich Treasury Cockpit und das Unternehmen dahinter wurde Kyriba getauft, unter anderem im Besitz der Commerzbank und von XRT“, erinnert sich Schlett.Rund vier Jahre später endete dann die Zusammenarbeit von Commerzbank und XRT und der neue CEO von Kyriba, Jean-Luc Robert, verlegte das Headquarter von Paris nach San Diego. „Er war unter anderem der Meinung, dass der US-amerikanische Markt für SaaS-Lösungen sehr viel reifer als der europäische war“, so Schlett.Kyriba bearbeitet DACH-Raum seit 2019Damit geriet der DACH-Markt für viele Jahre etwas aus dem Fokus von Kyriba. Erst 2019 kam neuer Schwung in die hiesigen Aktivitäten der Amerikaner. Mit dem Finanzinvestor Bridgepoint bekam das Unternehmen einen neuen Eigner, der im Zuge der Übernahme 160 Millionen US-Dollar für Wachstum zur Verfügung stellte. Fast zeitgleich übernahm Kyriba in Deutschland das auf Währungsmanagement spezialisierte Fintech Fireapps.Kyriba-CEO Jean-Luc Robert kündigte daraufhin im Gespräch mit DerTreasurer an, dass er hierzulande „signifikant Marktanteile gewinnen“ wolle. „Unser Ziel ist es, unsere deutsche Kundenbasis von derzeit 15 auf 200 in den kommenden fünf Jahren auszuweiten.“ Zum Deutschland-Statthalter machte Kyriba den bisherigen Fireapps-Geschäftsführer Andreas Karthaus. Sein Team wurde im Anschluss mit mehreren prominenten Neuzugängen von Wettbewerbern bespickt, darunter Ralf Kleinhenz und Matthias Deschner von Coupa sowie Alexander Haensel von Serrala.Hohe Fluktuation bei KyribaDoch die Expansion im hart umkämpften und weitgehend gesättigten deutschen TMS-Markt gestaltete sich für Kyriba schwierig. Karthaus verließ den Softwareanbieter 2022, strategische Differenzen zwischen ihm und dem Kyriba-Vorstand um Jean-Luc Robert sollen der Grund gewesen sein. Die DACH-Region wurde im Anschluss zunächst von Italien aus bearbeitet.Grundsätzlich ist die Fluktuation bei Kyriba in der DACH-Region hoch, viele der weiteren Neuzugänge sind relativ schnell wieder gegangen, darunter die genannten Kleinhenz, Deschner sowie Elisabeth Enns, Valentin Al-Hassani, Alex Jakowleff oder Matthias Osterhorn. Alexander Haensel, Country Sales Manager DACH, gehört zu den wenigen Konstanten.„Kyriba hat es bislang nicht geschafft, eine nachhaltige DACH-Struktur mit eigener Identität aufzubauen“, bringt es ein Marktkenner auf den Punkt. Seit Anfang November hat Kyriba nun aber wieder einen Head of DACH: Marcos Raiser do Ó kam von dem Frankfurter Payment-Fintech Stripe.Aumovio-Deal als DACH-Boost?Frischen Rückenwind verspricht sich das Unternehmen neben der Berufung von Raiser do Ó auch von dem jüngst neu hinzugewonnenen Großkunden Aumovio, der seit September eigenständig an der Börse notiert ist: Die ehemalige Autozulieferer-Sparte von Continental, die es auf einen Umsatz von rund 19,6 Milliarden Euro bringt (2024), entschied sich im Rahmen des TMS-Auswahlprozesses für Kyriba. Insgesamt sollen rund eine Handvoll Anbieter gepitcht haben, darunter FIS und SAP. Dabei dürfte auch geholfen haben, dass mit Kurt Schäfer der ehemalige Daimler-Treasurer als Berater involviert war, der bis Sommer 2024 ein Beratungsmandat für Kyriba hatte.Laut Ingrid Lethu, Senior Vice President Sales für die EMEA-Region bei dem Softwarehaus, ist der Aumovio-Deal für Kyriba „sehr wichtig – als Leuchtturmprojekt für exzellente Umsetzung und schnellen Nutzen.“ Er verdeutliche zugleich den Ansatz von Kyriba: „Wir sind mehr als ein Softwareanbieter. Wir sind Partner von Anfang an. Das bedeutet: Fachberatung, nahtlose Integration in bestehende Systeme und termingerechte Produktivnahme im Budget.“ Solche Erfolge beschleunigten das Wachstum im DACH-Raum und stärkten das Vertrauen neuer Kunden, so Lethu.Plattform für Liquiditäts- und RisikomanagementWie viele Unternehmen Kyriba in Deutschland zu seinen Kunden zählt, will sie nicht verraten. Nur so viel: „In den letzten drei Jahren konnte man ein Wachstum von über 300 Prozent verzeichnen.“ Nimmt man die 15 Unternehmen (allerdings aus dem Jahr 2020) als Basis, entspräche dies rund 60 Corporates im DACH-Raum. Das würde sich in etwa mit der im Markt kolportierten Größenordnung decken.Bereits vor rund zweieinhalb Jahren hatte Alexander Hänsel im Gespräch mit DerTreasurer die von Jean-Luc Robert ausgerufene Zielmarke aus dem Jahr 2020 ein Stück weit relativiert. Wenn es am Ende nur 100 statt der einst angepeilten 200 Kunden würden, die aber dafür gut zu Kyriba passten, sei das auch in Ordnung, sagte Hänsel seinerzeit.Kyriba will DACH-Engagement ausbauenÄhnlich klingt es nun bei Lethu: „Wir gehen gezielt in den Markt – mit maßgeschneiderten Branchenlösungen für Industrie, Automotive, Gesundheitswesen, Versicherungen, Pharma und Handel.“ Ziel sei es, Kyriba als Standardplattform für Liquiditäts- und Risikomanagement sowie Zahlungsprozesse zu etablieren. Grundsätzlich soll das Engagement im DACH-Raum weiter ausgebaut werden, „durch die Erweiterung unseres Teams, höhere Investitionen, die Einrichtung eines regionalen Kundenbeirats und die Markteinführung weiterer bewährter KI-basierter Lösungen, die in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden entwickelt wurden“, sagt Lethu.Bei Bestandskunden wolle man zudem „konsequent zusätzliche Anwendungsfälle“ erschließen und „schrittweise Insellösungen und Altsysteme der Konkurrenz“ ersetzen. Der Hebel liege auf Mehrwertmodulen wie erweiterte Liquiditätsplanung, Währungsrisiko, Working Capital oder Compliance. Im Ergebnis hofft Kyriba damit auf einen „höheren Umsatzanteil, geringere Komplexität beim Kunden – und nachhaltige Verdrängung von Mitbewerbern“. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob diese Strategie fruchtet.

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