Der Cloud-Spezialist TIS gewährt einigen Mitarbeitern virtuelle Aktienoptionen. Diese steigen mit jeder Neubewertung.

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10.05.22
Software & IT

TIS und die millionenschweren Aktienoptionen

Die Bilanz des Cloud-Spezialisten TIS wirft Fragen auf. Der Grund: Hohe Rückstellungen für ein Anteilsprogramm. TIS-CSO Jörg Wiemer ordnet das Zahlenwerk ein.

Vor wenigen Tagen hat der auf Cloudsoftware spezialisierte Zahlungsverkehrsanbieter TIS seinen Geschäftsbericht für das Jahr 2020 vorgelegt. Auf den ersten Blick liest sich das Zahlenwerk unverdächtig: Der Umsatz stieg in dem ersten Coronajahr um immerhin 28 Prozent auf 14,6 Millionen Euro. Das Rohergebnis wuchs von 11,8 Millionen Euro (2019) auf 15,4 Millionen Euro (2020).

Wirtschaftsprüfer: TIS-Bilanz ist überschuldet

Doch im Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers LM Audit & Tax aus München lassen mehrere Formulierungen aufhorchen. Dort schreibt der Prüfer etwa unter dem Punkt „Wesentliche Unsicherheit in Zusammenhang mit der Fortführung der Unternehmenstätigkeit“, dass die Bilanz von TIS um 4,6 Millionen Euro überschuldet sei. Dies sei nicht durch „eine harte Patronatserklärung oder qualifizierte Rangrücktrittserklärung beseitigt“ worden, heißt es.

Weiter spricht der Wirtschaftsprüfer von dem „Bestehen einer wesentlichen Unsicherheit, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit der Gesellschaft zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen kann und die ein bestandsgefährdendes Risiko […] darstellt“. Hat der Walldorfer SaaS-Spezialist ernsthafte Probleme?

TIS-Gründer Jörg Wiemer sieht keine Probleme

TIS-Mitgründer und Chief Strategy Officer (CSO) Jörg Wiemer entkräftet im Gespräch mit DerTreasurer den Paragrafen: „Die TIS ist kerngesund und entwickelt sich sehr gut“, sagt der ehemalige SAP-Treasurer. Er weist darauf hin, dass es sich um den Bericht aus dem Jahr 2020 handelt: „2021 haben wir uns gemäß Plan entwickelt. Wir sind sowohl in Europa als auch in den USA seit dem Start der Expansion in 2018 weiter stark im Umsatz gewachsen und haben dort namhafte Kunden wie Manpower Group, Tyson Foods oder Universal Music Group gewonnen.“

2021 habe TIS ein starkes Umsatzwachstum im mittleren zweistelligen Prozentbereich verzeichnet. Genaue Zahlen möchte CSO Wiemer zwar nicht nennen, der Umsatz dürfte sich aber gemessen an den 2020er-Zahlen in Richtung 20 Millionen Euro bewegt haben. „Das erste Quartal dieses Jahres war am Umsatz gemessen zudem das Stärkste der Unternehmensgeschichte“, führt Wiemer aus.

Doch wie kommt der Wirtschaftsprüfer dann zu dieser kritischen Einschätzung, dass es ein bestandsgefährdendes Risiko geben soll? Laut Wiemer liegt das primär an virtuellen Aktienoptionen, die sogenannten Virtual Stock Options oder kurz VSO. Diese hat TIS an einige seiner Mitarbeiter ausgegeben.

„Die TIS ist kerngesund und entwickelt sich sehr gut.“

Jörg Wiemer, TIS

Millionenschwere Aktienoptionen für Mitarbeiter

Virtuelle Aktienoptionsprogramme sind in der Tech- und Start-up-Welt keine Seltenheit. Gründer und frühe Mitarbeiter sollen so für das Risiko für ein junges Unternehmen zu arbeiten, überdurchschnittlich entlohnt werden. Seinen Aktienoptionsplan hat TIS 2011 im Zuge der Gründung etabliert.

Bei TIS wird offenbar auch ein „kleiner Kreis“ externer Berater am Unternehmenswachstum von TIS beteiligt, wie im Geschäftsbericht nachzulesen ist. Laut Wiemer erhielten rund 10 Prozent der rund 200 TIS-Mitarbeiter solche VSOs. Wenn der Wert des Unternehmens steigt, profitieren diese Mitarbeiter hiervon direkt.

„Auf diese Weise wollen wir unsere Mitarbeiter am zukünftigen Erfolg der TIS beteiligen“, erklärt Mitgründer und Ex-SAP-Treasurer Wiemer. Die Auszahlung werde durch bestimmte Events wie z.B. einen Börsengang getriggert. 

Unternehmenswert von TIS hat sich vervielfacht

Durch die letzte Kapitalerhöhung in Höhe von 16,3 Millionen Euro im April 2020 habe sich der Unternehmenswert vervielfacht. Laut des Geschäftsberichts 2020 lagen die von TIS gebildeten Rückstellungen für die VSOs 2019 noch bei 6,9 Millionen Euro. Ein Jahr später bezifferte TIS die Rückstellungen mit satten 20 Millionen Euro. Wiemer betont: „Es handelt sich um Rückstellungen, die nicht cash-wirksam sind.“ Trotzdem: Die Personalkosten von TIS haben sich – größtenteils getrieben durch das VSO-Programm – binnen eines Jahres scheinbar zu einem beachtlichen Risiko aufgebläht, auch wenn dieser Posten nicht cash-wirksam ist.

Dadurch, dass mit der steigenden Bewertung auch andere Kennzahlen wüchsen, mache Wiemer sich als Geschäftsführer trotz der hohen Rückstellungen keine Gedanken. „Wir sind auf der Cash-Seite gut aufgestellt und für das organische Wachstum komplett bis zum Break Even durchfinanziert.“ Das Kassenbestand betrug Ende 2020 rund 18,4 Millionen Euro.

TIS tütet neue Finanzierung ein

Zudem habe TIS vor kurzem eine neue Finanzierungsrunde abgeschlossen, wie Wiemer verrät. Details möchte der TIS-Manager noch nicht nennen, das Volumen belaufe sich auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. TIS wolle die neuen Mittel nutzen, um weiteres Wachstum und M&A-Deals zu finanzieren. „In Kürze können wir hierzu Details nennen“, verspricht Wiemer. Die Aktienoptionen dürften in ihrem Wert insofern noch weiter steigen.

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