Wie viel Nachhaltigkeit steckt in ESG-Fonds eigentlich wirklich?

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01.10.21
Asset Management

Greenwashing-Gefahr bei nachhaltigen Fonds?

Wie viel Nachhaltigkeit steckt in ESG-Fonds wirklich? Einige Experten sehen viele Fondsprodukte kritisch. Und Investoren können die verschiedenen Ansätze von ESG-Fonds nur schwer beurteilen.

Die Bafin sieht ein steigendes Risiko von Greenwashing bei nachhaltigen Fonds und will sie daher stärker regulieren (siehe DT 15/2021). Damit hat die Bafin sich Kritik aus der Fondsbranche zugezogen, der Fondsstandort Deutschland könnte Schaden nehmen. Doch die Behörde, die bei Wirecard zuletzt keine gute Figur abgab, muss handeln. Und es gibt auch Befürworter des Vorstoßes: „Die Bafin kommt hier klar ihrem Auftrag nach, denn es gibt an diesem Markt eine Definitionslücke“, sagt Georg Schürmann, Geschäftsleiter der auf Nachhaltigkeit spezialisierten Triodos Bank.

Die Lücke klafft nach seiner Ansicht derzeit auf Ebene der EU-Regulierung. Seitdem die Offenlegungsverordnung im März in Kraft getreten ist, müssen Kapitalverwalter ihre Fonds in eine von drei Kategorien einordnen. Entweder handelt es sich um einen nicht nachhaltigen Fonds (Artikel 6), einen Fonds, der ESG-Kriterien berücksichtigt (Artikel 8), oder ein Produkt, das eine Nachhaltigkeitswirkung erzielen will (Artikel 9).

„Das Problem ist, dass die Anforderungen an die sogenannten Artikel-8-Fonds zu viel Interpretationsspielraum bieten, es geht vor allem um Transparenz. Das Resultat ist, dass sich die Anzahl dieser Fonds in Deutschland im März nahezu verdoppelt hat. Es scheint, dass seit Inkrafttreten der Richtlinie viele eigentlich konventionelle Fonds als Artikel-8-Fonds umdeklariert wurden und somit als nachhaltig gelten“, stellt er verwundert fest.

Treasurer können ESG-Ansatz kaum überprüfen

Für Investoren ist es schwer zu unterscheiden, ob ein Fonds das Etikett „nachhaltig“ wirklich verdient. „Ob es bei ESG-Fonds häufiger zu Greenwashing kommt, kann ich nicht beurteilen. Wir als Treasurer müssen den Fondsmanagern vertrauen, wir haben weder die Kapazität noch das Know-how, um in allen Fällen die Auswahlkriterien überprüfen zu können“, sagt der Treasurer eines Großkonzerns, der ESG-Produkte in der Anlage nutzt. „Aus Risikosicht ist es kein so großes Problem, da es sich bei ESG-Themen nicht um Ausfallrisiken handelt. Ich rechne zudem damit, dass die Regulierung strenger werden wird“, sagt er.

Triodos-Experte Schürmann sieht dagegen ein großes Risiko für den gesamten Sustainable-Finance-Markt. „Es könnte bei Anlegern so zu großen Enttäuschungen kommen, wenn sich Greenwashing-Vorwürfe bestätigen.“ Er hofft deshalb auf mehr Einheitlichkeit und Rechtssicherheit – und zwar auch für grüne Finanzprodukte, die Unternehmen selbst emittieren. „Auch hier gibt es aus meiner Sicht noch zu viel Spielraum.“

Koegler[at]derTreasurer.de

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