Top-Treasurer diskutierten am Dienstagmorgen auf der Structured FINANCE (von links): Harald Fritsche (Deloitte), Birgit Böhm (BMW), Michael J. Schütt (Fraport), Birka Benecke (BASF), Rando Bruns (Merck) und Moderatorin Desirée Buchholz (DerTreasurer)

F.A.Z. Business Media GmbH/A. Varnhorn

24.11.20
Cash Management & Zahlungsverkehr

So haben Top-Treasurer die Krise bewältigt

Am zweiten Tag der Structured FINANCE Digital Week steht das Treasury im Fokus. In einer Diskussionsrunde sind sich die Treasurer von BASF, BMW, Merck und Fraport einig: Eine sorgfältige Liquiditätsplanung und Zugang zum Kapitalmarkt sind speziell in Krisenzeiten essentiell.

Der zweite Tag der Structured FINANCE Digital Week steht ganz im Zeichen des Treasury. Am heutigen Dienstagmorgen haben sich die Treasury-Verantwortlichen Birka Benecke (BASF), Birgit Böhm (BMW), Rando Bruns (Merck) und Michael J. Schütt (Fraport) mit Harald Fritsche (Deloitte) und der Moderatorin Desirée Buchholz (DerTreasurer) im Aufnahmestudio in Frankfurt getroffen – natürlich unter Einhaltung der Abstandsregeln. Das ist bei der diesjährigen Structured FINANCE eine der Ausnahmen, da angesichts der Beschränkungen durch die Corona-Pandemie die Kongressmesse für Unternehmensfinanzierung erstmals als viertägige Veranstaltung digital stattfindet.

In Zeiten der Coronakrise ist gerade der Finanzbereich gefordert, die Liquidität zu sichten und zu sichern. Wie sind Konzerne wie BMW, Merck, BASF oder Fraport dabei vorgegangen? Das war das Thema der Podiumsdiskussion „Cash is King: Liquiditätsplanung und -sicherung in der Coronakrise“.

Besonders schwer war der Flughafenbetreiber Fraport getroffen. „Keiner weiß genau, wie sich die Auswirkungen der Pandemie weiter entwickeln werden“, sagt Michael J. Schütt, Leiter Finanzierung bei Fraport, zu der Schwierigkeit der Planung. Deshalb sei es so wichtig, die Liquidität aufzustocken und ständig zu überprüfen und die Kosten zu senken. „Zu Beginn der Krise waren wir sehr beruhigt, da wir wussten, dass unsere Liquidität noch rund zwölf Monate reichen wird“, sagt der Fraport-Treasury-Chef. Inzwischen liege das Liquiditätspolster des Flughafenbetreibers bei rund 3 Milliarden Euro. „Bis gut ins Jahr 2022 hinein können wir nun beruhigt sein“, sagt Schütt. Die Aussicht auf einen Impfstoff verlieh nicht zuletzt der durch Corona gebeutelten Aktie des Flughafenbetreibers einen großen Schub.

Treasurer erhöhen Frequenz der Liquiditätsplanung

Wie haben die Teilnehmer der Structured FINANCE Digital Week auf die Krise reagiert? Via TED-Umfrage konnten sie sich in die Diskussion einbringen. Drei Viertel von ihnen gaben dabei an, dass ihr Unternehmen verschiedene Szenarien durchgespielt hat, um auf die möglichen Entwicklungen der Pandemie angemessen reagieren zu können. Mehr als die Hälfte der Unternehmen hat die Frequenz der Liquiditätsplanung erhöht, etwa ein Fünftel hat ein ganz neues Planungstool eingeführt.

Während Großunternehmen bereits gut aufgestellt waren, hatten kleinere Firmen Nachholbedarf. „Ich habe im Frühjahr viele Mittelständler gesehen, die eine schlechte Datenlage hatten und keine oder nur eine rudimentäre Liquiditätsplanung erstellten“, sagt Deloitte-Berater Harald Fritsche, der Unternehmen in Treasury-Fragen berät.

Bei seinen Notfalleinsätzen im März, April und Mai ging es deshalb darum, schnell Transparenz herzustellen, damit die Firmen wissen, wie lange ihre Liquidität reicht. Allerdings sei es ihm zufolge ein Trugschluss, einzig mit einem schnell eingeführten System die volle Transparenz über die Liquiditätsplanung zu bekommen. „Erst in einer Krise mit solch einem Tool zu starten, ist zu spät“, sagt Fritsche. Dennoch kann er nur all denjenigen Coporates raten, die noch kein Planungstool nutzen, es zu implementieren.

Eine gute Liquiditätsplanung müssen Unternehmen aber auch nachhalten. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten eine solche zu erstellen: direkt oder indirekt wie der Chemie- und Pharmakonzern Merck, mit Excel wie der Flughafenbetreiber Fraport oder mit einem professionellen Treasury-Management-System. Manche Konzerne wie BASF ergänzen diese noch mit neuen Methoden wie Predicitve Analytics. „Wir waren mit unseren Algorithmen zufrieden, weil sie emotionslos sind“, sagt BASF-Treasury-Chefin Benecke. Aber Algorithmen könnten eine Pandemie natürlich nicht vorhersehen. „Angereichert mit der indirekten Methode der Cashflow-Ermittlung hatten wir während der Hochphase der Krise ein ganz gutes Gefühl für die kommenden Monate.“

Treasurer setzen stark auf neue Bankkredite

Neben der Liquiditätsplanung spielte in der Krise aber noch das Aufnehmen frischer Liquidität für die Unternehmen eine entscheidende Rolle. „Wir haben im Frühjahr drei Stress-Szenarien durchgespielt und stellten fest, dass die Liquiditätsreserve nicht die gewesen ist, die wir gerne gehabt hätten“, sagt Merck-Treasury-Chef Bruns. „Wir wollten uns aber nicht langfristig verschulden, weshalb wir mit unseren Relationshipbanken zusätzliche bilaterale Linien in Höhe von 1,4 Milliarden Euro abgeschlossen haben.“

BASF hat eine 3 Milliarden Euro schwere neue Kreditlinie abgeschlossen, weil der Chemiekonzern die bestehenden revolvierende Kreditlinie nicht antasten wollte. „Wir würden unsere vorhandene RCF-Linie von 6 Milliarden Euro nur ziehen, wenn wir uns beispielsweise über den CP-Markt nicht finanzieren können“, sagt Treasury-Chefin Benecke. Das sei im März und April zwar schwer und mühsam gewesen, aber immer noch möglich.

So wie Merck und BASF haben auch viele andere Finanzverantwortliche reagiert. Von den via TED-Umfrage befragten Teilnehmer gaben 44 Prozent an, neue Bankkredite aufgenommen zu haben, 21 Prozent haben Fördermittel genutzt und 14 Prozent den Kapitalmarkt angezapft.

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Kapitalmarktzugang nicht zu vernachlässigen

„Der Kapitalmarkt ist für uns für die Refinanzierung unersetzlich“, sagt BMW-Group-Treasury-Chefin Böhm. Dort sei die „tiefste Liquidität“ vorhanden. Seit den Erfahrungen aus der letzten großen Krise, der Finanzkrise 2008/2009, deckt der Autobauer sein beträchtliches Finanzierungsvolumen überwiegend über den Kapitalmarkt. „Auch in der aktuellen Coronakrise hat sich die Diversifizierung der Finanzierungsmittel und unser jederzeitiger Zugang zu den globalen Kapitalmärkten bewährt“, ist Böhm überzeugt.

Allerdings haben nicht alle Unternehmen einen Zugang zum Kapitalmarkt. „Das Universum der Liquiditätsbeschaffung ist nicht unendlich“, sagt Fraport-Finanzierungsleiter Schütt. „Wenn man den Kapitalmarktzugang nicht hat, wird es schon sehr granular. Dann muss man früh schauen, was man etwa beim Working Capital Management machen kann.“

Auch die anderen anwesenden Treasurer betonen, „einen möglichst großen Baukasten zu nutzen“, wie es beispielsweise Merck-Treasurer Bruns formuliert. Man brauche eine Toolbox vorrätig, die man bei Bedarf bespielen kann, sagt Benecke. Und dieses Instrumentarium lässt sich zu jeder Zeit weiter diversifizieren. So plant beispielsweise der Flughafenbetreiber Fraport ein CP-Programm zu etablieren.

Keiner weiß, wie lange diese Pandemie noch dauern wird. Doch sie wird ein Ende haben und die bei der Structured FINANCE Digital Week anwesenden Finanzverantwortlichen sind sich einig: Schon jetzt freuen sie sich auf die Reisen, die dann wieder möglich sein werden.

Paulus[at]derTreasurer.de