Die 5 häufigsten Fehler beim Working Capital Management

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Anm. d. Redaktion: Dieser Artikel ist zuerst im August 2020 erschienen und wird regelmäßig aktualisiert, um aktuelle Studienergebnisse und Entwicklungen abbilden zu können. Das letzte Update stammt aus dem September 2022.

Viele Unternehmen adressieren das Thema Working Capital Management nur unzureichend, dabei ist die Relevanz im Zuge der Coronakrise noch einmal deutlich gestiegen. Das zeigt eine Studie der Unternehmensberatung Inverto, für die im Mai und Juni 2021 insgesamt 50 Entscheider und Einkaufsverantwortliche vornehmlich aus der DACH-Region befragt wurden.

Demnach haben Working-Capital-Themen für 73 Prozent der Befragten einen hohen oder sehr hohen Stellenwert. Allerdings konstatiert gut ein Drittel der Teilnehmer der eigenen Firma ein verbesserungswürdiges Working Capital Management. „So lange ‚Business as usual‘ herrscht, ist Liquiditätssteuerung nur ein Randthema. Aber sobald es irgendwo hakt, rächt es sich, wenn Unternehmen beim Working Capital keinen Überblick haben“, sagt Thibault Pucken, Managing Director bei Inverto.

Fehler 1: Unklare Zuständigkeiten beim Working Capital

Er führt die Defizite vor allem darauf zurück, dass Working Capital Management eine Schnittstellenaufgabe ist, bei der verschiedene Abteilungen mitmischen. So unterstehe etwa der Einkauf, der in der Regel für die Verhandlungen von Zahlungszielen mit den Lieferanten zuständig sei, in der produzierenden Industrie häufig dem Operations-Vorstand. Das Treasury wiederum, das für das Cash Management verantwortlich zeichnet, berichtet an den CFO.

Das führe nicht selten zu internen Zielkonflikten, so Pucken: „Das primäre Ziel des Einkaufes ist es, den Preis gering zu halten. Die Zahlungsbedingungen, auf die das Finanzressort schaut, werden daher in den Verhandlungen mit den Lieferanten oft vernachlässigt.“ In dieser Konstellation können Unternehmen nur selten das Optimum aus ihrem Working Capital herausholen.

Fehler 2: Es werden keine Ziele und KPIs definiert

Zweites großes Problem: Nur 44 Prozent der Befragten haben Working-Capital-Ziele und KPIs definiert. Das ist zwar deutlich mehr als noch 2020 (35 Prozent), jedoch gibt es in dem Bereich noch Luft nach oben. „Die Definition der KPI ist wichtig. Wer Ziele nicht präzise festlegt, weiß auch nicht, ob die Aktivitäten erfolgreich waren“, bemängelt Pucken. Zudem vergleichen sich nur 20 Prozent in Form eines Benchmarkings mit der Peer Group.

„Die Definition der KPI ist wichtig. Wer Ziele nicht präzise festlegt, weiß auch nicht, ob die Aktivitäten erfolgreich waren.“

Thibault Pucken, Inverto

Der Working-Capital-Experte plädiert vor allem für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen in den Unternehmen: „Einkauf und Vertrieb müssen ihre Rolle für das Working Capital verstehen und darauf hinarbeiten, die definierten Ziele zu erreichen.“

Deswegen sollten die Ziele des Working Capital Managements auch in die Incentivierung mit aufgenommen werden, so Pucken. Das macht bislang nur die Hälfte der Unternehmen.

Fehler 3: Standards werden nicht umgesetzt

Als Folge der unklaren Zuständigkeiten und der mangelnden Steuerung kann sich ein drittes Problem ergeben: Die Diskrepanz zwischen Theorie und gelebter Praxis. Immerhin wenden vier von fünf der befragten Unternehmen Standardzahlungsbedingungen an – ein deutliche Steigerung zu 2020 (44 Prozent). 60 Prozent können bei Bedarf bewusst davon abweichen. „Das zeigt die gestiegene Reife des Working Capital Managements. Denn unter manchen Bedingungen ist es sinnvoll, von Standards abzuweichen.”

Pucken führt aus:. „Unternehmen sollten die Möglichkeiten des Working-Capital-Instrumentariums stärker ausschöpfen.“ Das größte nicht genutzte Potential zur Freisetzung von Liquidität sieht der Berater häufig auf der Kundenseite: „Bei Kunden geht der Vertrieb bei seinen Zahlungsforderungen ungern an die Grenze, weil man sie nicht verprellen will.“

Fehler 4: Mangelndes Risikomanagement

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Optimierung des Working Capital ein schmaler Grat ist. Das zeigte sich insbesondere während der Coronakrise: Ein Unternehmen, das seine Liquidität schont, in dem es Lieferanten später zahlt, läuft Gefahr, damit seine Lieferanten auszubluten und die Stabilität der Lieferkette zu gefährden.

Die Studie verdeutlicht dieses Dilemma: So haben 43 Prozent der Befragten ihre Lieferanten um verlängerte Zahlungsfristen gebeten. Auf der anderen Seite wurden auch 60 Prozent der Unternehmen mindestens von einem Teil ihrer Lieferanten darum gebeten, Zahlungsfristen während der Corona-Pandemie zu verkürzen.

Doch wie kann man die Gratwanderung meistern? „Der Schlüssel liegt darin, Transparenz darüber zu schaffen, welcher Lieferant tiefe Taschen hat und welcher nicht“, meint Pucken. Gerade Mittelständler verfügen aber häufig nicht über ausreichende Daten, um die Liquiditätssituation ihrer Lieferanten bewerten zu können. Große Konzerne sind mit Blick auf ein solches Risikomanagement in der Lieferkette professioneller aufgestellt.

Fehler 5: Keine Vorbereitungen treffen

Die Corona-Pandemie traf die Wirtschaft im März 2020 aus dem nichts. Doch noch einmal sollte man sich nicht überraschen lassen, sondern stattdessen immer wieder Vorbereitungen treffen, mahnt Pucken. Daher sei es wichtig, jetzt Strukturen zu schaffen, die eine schnelle Anpassung ermöglichen. „Unternehmen sollten eine Task Force für das Working-Capital- und Liquiditätsmanagement bilden“, empfiehlt der Berater. In dieser solle definiert werden, welche Fachbereiche für was zuständig sind, welche Entscheidungen die Einheit treffen dürfe (Governance) und an wen sie berichtet (Reporting).

„Der Schlüssel liegt darin, Transparenz darüber zu schaffen, welcher Lieferant tiefe Taschen hat und welcher nicht.“

Thibault Pucken, Inverto

Zu guter Letzt sollte man die Kommunikation nach außen nicht vergessen: „Gerade in einer Phase der hohen Unsicherheit muss man regelmäßig den Austausch mit großen Lieferanten und Kunden suchen.“ Working Capital Management dürfte damit zur Daueraufgabe werden.

Generell sieht Pucken bei Unternehmen einen Corona-bedingten Lerneffekt: „Unsere Studie vom Sommer 2021 zeigt die enormen Lernfortschritte, die Unternehmen unter dem Druck der Pandemie in Sachen Working Capital gemacht haben: Das Management hat sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich verbessert.”