Die EZB flutet die Märkte mit Liquidität, aber die Euro-Krise will einfach kein Ende nehmen. Bei einigen Ökonomen setzt jetzt die Sorge ein, was passiert, wenn die EZB ihr Pulver verschossen hat – und die Wirtschaft in den Peripherieländern dennoch nicht wieder in Tritt kommt. Ein Zerfall der Euro-Zone, der vor gut zwei Jahren schon einmal sehr realistisch erschien, wird wieder wahrscheinlicher: Laut der monatlichen Umfrage der Investmentberatung Sentix rechnet aktuell fast jeder zehnte der 1.000 befragten Investoren mit einem Austritt Griechenlands. Das ist der höchste Wert seit Januar.
„Unternehmen sollten ihre Krisenpläne für einen Zerfall der Euro-Zone wieder aus der Schublade holen und aktualisieren“, appellierte der Ökonom und ehemalige BCG-Berater Daniel Stelter bei der 10. Structured FINANCE in Karlsruhe an CFOs und Treasurer. Roger Disch, Treasury-Berater bei EY in Zürich stimmt ihm zu: „Viele Unternehmen verschließen die Augen vor den potentiellen Gefahren und Risiken.“ Bei ihren Kunden und Banken hätten Unternehmen das Gegenparteienrisiko schon gut im Blick, auf Länderebene bezweifelt der Berater das allerdings: „Geopolitische Risiken und deren Auswirkungen auf die finanzielle Lage eines Unternehmens werden bislang in der Treasury-Abteilung mit zu wenig Gewicht behandelt.“

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Treasurer sollten Notfallpläne für Zerfall der Euro-Zone entstauben
Treasurer sollten Austritts-Szenarien durchspielen
Dabei können Treasurer schon heute durchspielen, was der Austritt eines Landes – unabhängig davon, wie dieser Prozess juristisch ablaufen würden – für die Finanzierung, das Währungsrisiko sowie das Cash- und Liquiditätsmanagement der dortigen Tochter und der gesamten Gruppe bedeuten würde. „Unternehmen sollten zum Beispiel die Darlehensverträge mit ihren Banken genau durchgehen und prüfen, ob diese weiterhin gültig wären“, sagt Disch. „Außerdem sollten sie sich über alternative Emissionsplätze Gedanken machen, an denen sie ihre Bonds platzieren könnten.“
Außerdem stellt sich die Frage, was passiert, wenn ein Land seine nationale Währung auf einmal wiedereinführt. Dann hat das Unternehmen nicht nur ein neues FX-Exposure, sondern auch ein technisches Problem, wenn Zahlungen in dieser Währung vorgenommen werden sollen: „Wir haben alle Projektunterlagen zur Euro-Einführung aufbewahrt“, sagt der Treasurer eines Bauunternehmens. „Dann weiß ich, wie ich das System technisch zurückdrehe und die nationalen Währungen wieder in SAP einspeise.“ Konkrete Vorbereitungen für den Austritt eines Landes hat er aber nicht getroffen: „Noch ist es nicht akut genug.“
Ist Cash Pooling nach einem Euro-Austritt noch möglich?
Beim Cash Management sind gerade die Kapitalverkehrskontrollen ein Thema. Träte ein Land aus, müsste es wohl solche Kontrollen einführen, um eine Kapitalflucht zu verhindern. Cash wäre dann plötzlich dort gefangen. „Zwar lassen Unternehmen heute schon viel seltener Cash in den Peripherie-Staaten liegen, viele Unternehmen ziehen ihr Geld über den Cash Pool am Ende des Tages ab“, sagt Berater Disch. Möglicherweise ist Cash Pooling dann aber gar nicht mehr möglich.
Das Bauunternehmen kann sich glücklich schätzen: Die Tochtergesellschaften im Ausland sind reine Dienstleistungsgesellschaften, hier steuert das Unternehmen die Cashflows, dass damit direkt die Rechnungen bezahlt werden. „Die Töchter leben von der Hand im Mund. Da gibt es kein Cash, das ich abziehen muss“, erklärt der Treasurer. In dieser luxuriösen Situation dürften sich aber die wenigsten Unternehmen befinden.
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