Der Versandhändler Otto will Zahlungen selbst abwickeln.

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05.10.20
Cash Management & Zahlungsverkehr

Wer folgt Ottos Payment-Modell?

Der Versandhändler Otto baut eigenen Zahlungsabwickler auf. Auch für andere Konzerne könnte dieses Modell interessant sein.

Die Meldung sorgte für Furore: Der Versandhändler Otto arbeitet daran, einen eigenen Zahlungsabwickler aufzubauen, der künftig sämtliche Zahlungsfunktionen auf dem unternehmenseigenen Marktplatz abwickeln soll. Das Projekt ist für Otto von strategischer Bedeutung: Das Hamburger Traditionsunternehmen ist schon länger kein reiner Versandhändler mehr, sondern hat sich vor einiger Zeit für Dritte geöffnet, die ihre Waren auf der Plattform anbieten. Mit dem nun publik gewordenen Projekt eifern die Hamburger dem Vorbild des US-Giganten Amazon nach.

Otto arbeitet an eigener Bafin-Lizenz

Auch Stefan Quermann, Managing Principal des Beratungshauses Capco, beobachtet die Entwicklungen an der Elbe mit großem Interesse. Im internationalen Vergleich sei Otto zwar „spät dran“, für den deutschen Markt ist das Modell aber „sehr spannend“, sagt er. „Durch den Fall Wirecard sind Zahlungsdienstleister gerade unter besonderer Beobachtung, das Projekt Paydirekt ist zudem gescheitert. Das Timing von Otto scheint daher gut, weil sie hierzulande in eine Lücke stoßen können.“

Vor allem ein Detail lässt aufhorchen: Otto will nicht nur eine eigene Plattform aufbauen, sondern arbeitet auch an einer eigenen Bafin-Lizenz, was auch die Erbringung von Zahlungsdienstleistungen für andere Unternehmen ermöglicht.

Quermann zufolge birgt der Aufbau eines eigenen Abwicklers zahlreiche Vorteile: So machen sich Unternehmen unabhängig von Dienstleistern wie Adyen oder eben Wirecard, deren Marge dadurch im Konzern verbleibt. „Wenn man einen eigenen Zahlungsabwickler betreibt, holt man sich zudem eine Flut an Informationen ins Haus“, erklärt Capco-Experte Quermann einen weiteren Vorteil. „Mit den Zahlungsdaten kann man viel über Kunden erfahren, maßgeschneiderte Angebote machen, wie wir es von Amazon schon kennen.“

Für Konzerne mit viele kleinen Transaktionen interessant

Doch für welche Unternehmen lohnt es sich überhaupt, über den Aufbau eines eigenen Zahlungsabwicklers nachzudenken? „Aus meiner Sicht ist es vor allem für Konzerne interessant, die viele kleine Transaktionen verarbeiten. Ansonsten ist der Skaleneffekt nicht ausreichend“, sagt Quermann. Er sieht die Reise- und die Versicherungsbranche als prädestiniert an, aber auch den klassischen Einzelhandel. Später ließe sich das Angebot über Instant Payments, die bei Otto schon möglich sind, auf Request to Pay ausweiten: „Denkbar wäre, dass man eine Lieferung erst an der Haustür bezahlt oder eine Skiversicherung im Lift abschließt. Das birgt enormes Potential“, sagt der Berater.

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