Unternehmen aus von der Coronakrise stark betroffenen Branchen haben es derzeit schwer, eine Finanzierung zu bekommen. Aber welche Möglichkeiten bleiben ihnen jenseits von Banken und Kapitalmarkt noch, um an frisches Geld zu kommen? Asset-basierte Finanzierungen wie Factoring, aber auch Supply-Chain-Finance-Finanzierungen sind mögliche Alternativen. Über ein gutes Working Capital Management können CFOs und Treasurer Beträge heben, die oft noch ungenutzt in Unternehmen schlummern.
In diese Richtung geht auch ein Konzept von Benteler Trading International (BTI). Der Trader hat seinen Ursprung im Stahlhandel und gehörte als Benteler Distribution einst zum Benteler-Konzern. Er bietet ein sogenanntes Inventory Trading, also den Handel von Fertigprodukten, an.
Benteler Trading kauft Inventar zeitweise an
Das Aufsetzen der Lösung dauert vier bis sechs Monate, sagt Casper Benteler, Gründer und Geschäftsführer von BTI. Nach dem erfolgreichen Set-up läuft der Prozess wie folgt ab: BTI kauft die Waren – von Rohstoffen bis hin zu Fertigerzeugnissen – vom Lieferanten auf und nimmt dieses Inventar für eine gewisse Zeit auf seine Bilanz. „Wir nehmen für diesen Ankauf die Finanzierung auf“, sagt Benteler.
Der Trader agiert bei dem Handelsgeschäft sozusagen als Projektierer und hat für die Finanzierung eigenen Angaben zufolge große Kreditlinien und auch Eigenkapital zur Verfügung. Voraussetzung für das Geschäft sind Güterströme im Wert von mindestens 50 Millionen Euro.
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Der Kunde beziehungsweise Abnehmer kauft die Vorräte anschließend der BTI wieder ab, wenn er die Waren benötigt. Durch die Lösung von BTI können die Lieferanten und auch die Bilanz des Kunden entlastet werden. Erst wenn der Kunde die Waren übernimmt, geht das Eigentum auf ihn über und erscheint in seiner Bilanz. Durch die Just-in-time-Lieferung ist der Bestand von Gütern keine bestimmende Regelgröße mehr. „Wir befreien durch unsere Lösung Unternehmen vom Working-Capital-Druck und entkoppeln so Bedarf und Lieferung von der Finanzierung“, sagt Tobias Liebelt, Chief Operating Officer bei BTI.
Verschiedene Abnahmemodelle möglich
Abhängig vom Rechnungslegungsstandard, den der Abnehmer nutzt, gibt es verschiedene Abnahmemodelle. In dem einen verpflichtet sich der Kunde, eine gewisse Menge abzunehmen. Das Verfahren sei mit internationalen Gesetzen und Rechnungslegungsvorschriften wie HGB, IFRS und US GAAP konform. „Wenn der Kunde zum Beispiel nach IFRS bilanziert und ein Konsignationslager auf seinem Hof wünscht, können wir ihm ein Model ohne Abnahmeverpflichtung anbieten“, sagt Benteler weiter.
BTI betont zudem, dass der Trader unabhängig von Banken und Logistikern agiere und deshalb mit jedem zusammenarbeiten könne: „Die Unternehmen müssen ihren angestammtem Logistikpartner und ihre Hausbank nicht wechseln“, sagt Benteler.
Vorteile des Inventory Trading
Neben der Just-in-time-Lieferung und der damit verbundenen geringeren Auslastung der Warenlagers sowie der Off-Balance-Struktur profitiere ein Abnehmer aber laut BTI-Geschäftsführer Benteler auch noch von niedrigeren Kosten: „Wir können die Waren ankaufen, wenn sie am günstigsten sind oder einen Preisvorteil erzielen, weil wir die Ware nicht nur aus einer Lieferung, sondern beispielsweise für das gesamte Jahr ankaufen.“
Zudem generierten die Unternehmen durch die BTI-Lösung Einsparungen in der Logistik im zweistelligen Prozentbereich. „Abhängig davon, auf welchem Weg die Logistik erfolgt, können Einsparungen zwischen 5 (Landweg) und in Spitzen bis zu 20 Prozent (Seeweg) auf den Logistikpreis erzielt werden“, sagt Liebelt. Bei den Wareneinstandskosten sei eine Ersparnis von bis zu 5 Prozent auf den Produktpreis in der fertigenden Industrie möglich.
Aber auch BTI erhält eine Marge für das Handelsgeschäft. „Unsere Kosten sind in der Regel geringer als die Einsparungen. Unser Rohertrag liegt bei gängigen Produkten deutlich unter 1 Prozent“, sagt BTI-Geschäftsführer Benteler. Aus welchen Komponenten die Gebühr des Kunden besteht, ist nach Unternehmensangaben sehr individuell. Ein Hauptbestandteil sind die Finanzierungskosten, aber auch das Produkt und die Branche spielen beispielsweise eine Rolle.
Ziel: Kapitalkosten verringern
Das Geschäftsmodell wurde Unternehmensangaben zufolge ursprünglich aufgrund der Anforderungen des Automobilmodulgeschäfts entwickelt. Ziel war es, die Kapitalkosten im Geschäft mit hohen Netto-Umlaufvermögen (Net Working Capital), aber niedrigen Margen auf Fremdkapitalkosten zu senken.
Zu den Entwicklungspartnern und ersten Kunden gehören BTI zufolge Unternehmen wie Mercedes-Benz, der Werkzeug- und Fertigungsanlagenhersteller Frimo Group und der Stahllieferant Arcelor Mittal. Zur konkreten Kundenzahl wollte sich der Trader aber nicht äußern.
Sabine Paulus ist Redakteurin bei DerTreasurer. Ihre Themenschwerpunkte sind Finanzierung, Fintechs sowie Personal und Organisation im Treasury.