EU-Kommission will Emir-Verordnung reformieren

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Die EU-Kommission gibt ihre geplanten Reformen der Emir-Verordnung bekannt. So sollen die Vorschriften für außerbörslich gehandelte Derivate (OTC-Derivate) insgesamt einfacher und verhältnismäßiger gemacht werden, teilte die Kommission mit. Dadurch sollen sich die Kosten und der Verwaltungsaufwand für die Marktteilnehmer verringern, ohne die Finanzstabilität zu gefährden. „Die Änderungen umfassen Maßnahmen, die den Marktteilnehmern, insbesondere in Branchen wie der Energieversorgung und der Herstellung, Einsparungen in Höhe von bis zu 2,6 Milliarden Euro bei den operationellen Kosten und bis zu 6,9 Milliarden Euro bei einmaligen Kosten ermöglichen könnten“, prognostiziert die EU-Kommission.

Für Unternehmen wird sich dadurch manches ändern: Bislang müssen Treasurer, wenn ihre Unternehmen die Clearingschwelle für eine Anlageklasse überschreiten, alle Derivate clearen. Die Kommission will dies nun vereinfachen und schlägt deshalb vor, dass für Unternehmen nur für diejenigen Anlageklassen eine Clearingpflicht besteht, bei denen die Schwellenwerte überschritten werden. „Dadurch würde die Belastung für nichtfinanzielle Gegenparteien verringert, da ihnen ein zentrales Clearing nur für Anlageklassen vorgeschrieben wird, in denen sie besonders aktiv sind“, sagt die EU-Kommission.

Beim Schwellenwert, der die Clearingpflicht auslöst, würden auch in Zukunft nur Kontrakte angerechnet, die anderen als Hedging-Zwecken dienen, heißt es weiter. In Deutschland dürfte diese Regelungen allerdings nur für eine sehr überschaubare Anzahl von Unternehmen Erleichterungen bringen, da kaum welche die Schwellenwerte überschreiten.

Emir-Meldepflicht wird gestrafft

Relevanter für mehr Unternehmen dürfte sein, dass die Kommission auch die Meldepflichten strafft: So müssen an Börsen getätigte Derivategeschäfte künftig nur von der zentralen Gegenpartei im Namen beider Gegenparteien gemeldet werden. Darüber hinaus müssen Unternehmen gruppeninterne Geschäfte nicht mehr melden, wenn eine der beiden Gegenparteien ein nichtfinanzielles Unternehmen ist. Dadurch wird sich der Aufwand für die Treasurer verringern.

Deshalb begrüßt beispielsweise das Deutsche Aktieninstitut (DAI) gemeinsam mit anderen europäischen Verbänden die Vorschläge der Europäischen Kommission. „Die im Kommissionsentwurf vorgesehenen Erleichterungen bei der Meldung von Derivatetransaktionen für nichtfinanzielle Unternehmen weisen in die richtige Richtung“, heißt es seitens des DAI. Nun sei es wichtig, dass der europäische Gesetzgeber diese Vorschläge im weiteren Verfahren entsprechend verabschiede.

Darüber hinaus ist das DAI erleichtert, dass die Kommission in ihrem Entwurf an der für die Industrie wichtigen Ausnahme von der Clearingpflicht festhält, die zuletzt kontrovers diskutiert wurde. „Wäre die Ausnahme seitens der Kommission gestrichen worden, hätten größere deutsche Industrieunternehmen für die Besicherung dieser Derivatetransaktionen zusätzliche Gelder in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrags zurücklegen müssen“, sagt das DAI.

Die Wertpapierregulierungsbehörde Esma hatte im Sommer 2015 vorgeschlagen, für Unternehmen der Realwirtschaft (NFC) die Hedging-Ausnahme abzuschaffen, wie DerTreasurer berichtete. Bislang sind NFCs gemäß Emir nur dann verpflichtet, Derivate zu clearen, wenn die Geschäfte nicht der Risikoabsicherung des operativen Geschäfts dienen und gleichzeitig einen gewissen Schwellenwert überschreiten.

Seit Anfang 2014 besteht für Corporate Treasurer eine Meldepflicht für OTC-Derivate. Der ausstehende Nominalwert von OTC-Derivaten belief sich der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zufolge Ende Juni 2016 auf 544 Billionen US-Dollar, was 89 Prozent des gesamten Derivatemarkts entspricht.

Brexit: EU-Kommission will Euro-Derivate-Clearing nur in EU erlauben

Zeitgleich zur Bekanntgabe der möglichen Emir-Reform hat die EU-Kommission noch für Juni Gesetzesvorschläge im Zusammenhang mit dem Derivate-Clearing angekündigt. Die Kommission möchte in ihnen Vorgaben bezüglich des Sitzes zentraler Gegenparteien, die Euro-Derivate abwickeln, festhalten. Damit dürften nach dem vollzogenen Brexit eine Abwicklung von auf Euro lautenden Derivaten in London nicht mehr zugelassen sein.

Der EU-Kommission zufolge hat die Bedeutung zentraler Gegenparteien bei der Abwicklung von Derivaten enorm zugenommen. 75 Prozent der auf Euro lautenden Derivate, überwiegend Zinsderivate, würden in London abgewickelt, schreibt die EU-Kommission in ihrem Dokument an das Europaparlament. Das berichtet die Nachrichtenagentur Dow Jones. „In diesem Zusammenhang wird der angekündigte Austritt Großbritanniens aus der EU einen signifikanten Einfluss auf die Regulierung und die Beaufsichtigung des Clearings in Europa haben“, zitiert die Nachrichtenagentur aus dem Schreiben der Kommission.

EZB begrüßt Pläne der EU-Kommission

Der Europäischen Zentralbank kommen diese Pläne entgegen: „Wir begrüßen die Rolle, die die Kommission der für die Währungsemission zuständigen Zentralbank bei der Beaufsichtigung zentraler Gegenparteien zugedacht hat“, sagte eine Sprecherin gegenüber der Nachrichtenagentur. Die EZB hatte vor einiger Zeit versucht, Londoner Clearing-Häusern die Abwicklung von Euro-Derivaten zu untersagen – allerdings ohne Erfolg. Die Währungshüter waren mit ihrem Anliegen vor dem Europäischen Gerichtshof gescheitert. Mit dem geplanten Austritt Großbritanniens aus der EU bekommt das Thema neuen Aufwind.

Die britische Bank Standard Chartered hat auf die Brexit-Pläne der britischen Regierung bereits reagiert und Frankfurt zum Standort der neuen Euro-Zentrale bestimmt. Die schon bestehende Niederlassung in der Mainmetropole soll nun eine Banklizenz beantragen und eine eigene rechtliche Einheit werden, berichte die DerTreasurer Schwesterpublikation FINANCE. Über Frankfurt sollen dann via EU-Passporting die übrigen Länder der Euro-Zone versorgt werden, in denen Standard Chartered präsent ist.

Info

Erfahren Sie mehr auf unseren Themenseiten „Emir“ und „Brexit“.

Sabine Paulus ist Redakteurin bei DerTreasurer. Ihre Themenschwerpunkte sind Finanzierung, Fintechs sowie Personal und Organisation im Treasury.