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21.07.22
Risiko Management

So reagieren Treasurer auf die Energiekrise

Die Situation bezüglich der Gaslieferungen aus Russland ist höchst unbeständig. Wie reagieren Treasurer in puncto Finanzierung und Hedging auf die undurchsichtige Situation?

Aufatmen in der deutschen Wirtschaft: Das Gas durch Nord Stream 1 fließt vorerst wieder, dennoch bleibt die Lage ungewiss. Der Gaspreis hat sich in den vergangenen vier bis fünf Wochen verdoppelt – besonders seit Russland die Gaslieferungen gedrosselt hat, sind die Preise deutlich angestiegen. 

Nach heutigem Stand sieht es danach aus, als würden die Gaslieferungen wieder anlaufen, die Menge läge über den Erwartungen. Doch die Signale sind widersprüchlich. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte am vergangenen Dienstag in einer Rede, dass nur 33 Millionen Kubikmeter am Tag durch die Pipeline Nord Stream 1 fließen werden. Das wäre noch weniger als die bereits gedrosselte Menge von knapp über 60 Millionen Kubikmetern pro Tag. Für die Wirtschaft erschwert die unsichere Lage die Planung ungemein. Wie bereiten sich Treasurer auf diese Ungewissheiten vor?

Interesse an KfW-Krediten zieht an

Zum einen zieht das Interesse an speziellen Hilfskrediten der KfW deutlich an, wie DerTreasurer erfahren hat. „Viele Unternehmen haben in den vergangenen Wochen zusätzliche Kredite aufgenommen. Auch das Interesse an den KfW-Förderkrediten für vom Krieg in der Ukraine betroffene Unternehmen ist zuletzt gestiegen“, erläutert Andreas Wagner, Leiter des Bereichs Sonderfinanzierungen und verantwortlich für Sustainable Finance bei der Hypovereinsbank.

Bereits seit Mai können Unternehmen, die besonders von den Folgen des Ukraine-Krieges betroffen sind, Hilfen der Staatsbank anfragen. Zu Beginn des Programms hielt sich die Nachfrage der Unternehmen in engen Grenzen, wie DerTreasurer damals berichtete. Doch in dieser Woche zog alleine der kriselnde Energiekonzern Uniper einen bestehenden KfW-Kredit in Höhe von 2 Milliarden Euro. Das E.on-Spin-off beantragte darüber hinaus zusätzlich zu Staatshilfen eine Erweiterung dieser Kreditlinie. Bei Energiekonzernen und Stadtwerken sieht auch SEB-Banker Michael Leitzbach, Head of Corporate Banking der SEB in Deutschland, einen verstärkten Finanzierungsbedarf – in anderen Branchen aber eher nicht.

Die Commerzbank berichtet darüber hinaus, dass Kunden basierend auf den Erfahrungen aus der Coronakrise die vorhandene Liquidität wieder verstärkt zusammenhalten. Auch bestehende Kreditlinien werden der Bank zufolge gezogen, allerdings nicht in dem Ausmaß wie im ersten Halbjahr 2020, dem ersten Peak der Corona-Pandemie. Doch ein ganz großer Ansturm auf Hilfsmittel sei noch nicht da. Das zeigen auch die Erfahrungen der Deutsche Bank. Sie sieht bei ihren Kunden einen gesteigerten Betriebsmittelbedarf, aber keine überhöhte Vorsorgeliquiditätsziehung sowohl beim KfW-Sonderprogramm und auch klassischen Krediten.

Treasurer setzen verstärkt auf Hedging

Dass deutsche Unternehmen wegen des befürchteten Gaslieferstopps und dessen Auswirkung sehr besorgt sind, zeigt sich an der steigenden Nachfrage nach Hedging-Instrumenten. „Wir haben deutlich höhere Volumina bezüglich der Hedging-Aktivitäten zu verzeichnen“, sagt etwa Michael Leitzbach von der SEB. Besonders Unternehmen mit hohem Energieverbrauch, also produzierende Unternehmen und die Schwerindustrie, hätten Absicherungsgeschäfte getätigt.

 „Wir haben deutlich höhere Volumina bezüglich der Hedging-Aktivitäten zu verzeichnen.“

Michael Leitzbach, Head of Corporate Banking der SEB in Deutschland

Diese Entwicklung beobachtet auch die Hypovereinsbank: „Dabei spielt insbesondere die außerbörsliche Absicherung von Rohstoffpreisen im volatilen Marktumfeld eine zunehmend wichtigere Rolle“, sagt Andreas Wagner von der HVB und fügt hinzu: „Denn im außerbörslichen Bereich müssen Unternehmen in der Regel keine Sicherheitsleistungen hinterlegen und können im Moment von massiven Terminabschlägen auf längere Laufzeiten profitieren.“

Maxim Andreev, Spezialist für FX & Commodities Sales bei der SEB, sieht eine massive Zunahme der Hedging-Aktivität bei Gaspreisen und Energieprodukte – sowohl kurzfristig als auch für die Jahre 2024 bis 2026. Denn auch wenn in den nächsten Wochen wieder mehr Gas nach Deutschland geliefert wird, sind die Gaslieferungen im Herbst und Winter nicht gesichert.

Doch sollte der Worst Case eintreten und kein russisches Gas mehr fließen, hat auch das Hedging nur eine begrenzte Wirkung: „Man sollte bedenken, dass wenn kein Gas physisch beliefert wird, auch die finanzielle Absicherung nichts nutzt, da das physische Grundgeschäft wegfällt und man die Hedges intern nicht 1-zu-1 zuordnen und bewerten kann“, merkt Andreev an. Er empfiehlt deshalb eine Absicherung von kurzfristigen Laufzeiten, auch zu hohen Preisen, um eventuelle Turbulenzen in den kommenden Monaten abzufedern. Eine längerfristige Lösung sei die Umstellung auf eine andere Energiequelle als Gas, damit die physische Versorgung gewährleistet wird, so Andreev.

Klar ist, dass manche Branchen wie die Metall- oder Chemieindustrie von einer Einschränkung der Gasversorgung mehr betroffen sind als beispielsweise der Dienstleistungssektor. Jedoch könnte es im Falle eines Gasnotstands auch für die Unternehmen brenzlig werden, die nicht unmittelbar betroffen sind. „Probleme werden in einer Gasnotstandsituation gesehen, da dann der Druck aus steigenden Strom- und Ölpreisen weiter wachsen wird“, sagt etwa Stefan Bender, Leiter der Unternehmensbank der Deutschen Bank.

Trendwende bei Energieversorgung

Die aktuelle Krise rund um die Gaslieferungen stellt den Status Quo der Energieversorgung deutscher Unternehmen in Frage. Die Deutsche Bank sieht darin einen Trendbeschleuniger: „Früher kam in Gesprächen oft die Frage nach den niedrigsten Lohnkosten je Region auf, heute diskutieren wir viel häufiger die Verfügbarkeit von idealerweise grüner Energie“, erläutert Bender.

Die massive Zunahmen der Volatilität von Währungen, Zinsen und Rohstoffen wirkt sich auch auf die Firmenkunden der Commerzbank aus. „Das erhöht natürlich die Risiken unserer Kunden und erfordert ein deutlich aktiveres Risikomanagement. Daran müssen sich viele erst gewöhnen, zumal wir mittelfristig nicht mit einer Beruhigung der Marktlage rechnen.“ 

Wie sollen sich Unternehmen in diesen ungewissen Zeiten verhalten? Die Commerzbank rät zu einer angepassten kurzfristig verfügbaren Liquiditätshaltung. „Zudem sollten Kunden alle ihre Möglichkeiten zur Beschaffung von Liquidität überprüfen und möglicherweise erweitern zum Beispiel bezogen auf die verfügbaren Kreditlinien aber auch bezogen auf alternative Finanzierungsmöglichkeiten wie Factoring.“ Auch in den kommenden Wochen müssen Treasurer die volatile Situation genau beobachten und im Zweifel schnell reagieren. 

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