Nicht nur die EU arbeitet an einem digitalen Euro. Andere Länder sind bei CBDCs schon weiter.

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14.06.21
Cash Management & Zahlungsverkehr

Digitale Währungen: Fünf Fakten für Treasurer

Digitale Währungen können den Zahlungsverkehr revolutionieren. Wie profitieren Treasurer davon? Und was bedeuten CBDCs für die Geschäftsmodelle der Banken? Ein Überblick.

Digitale Zentralbankwährungen – oder auf Englisch: Central Bank Digital Currency (CBDC) – sind derzeit in aller Munde. Die EU wird wohl einen digitalen Euro einführen, auch in den USA konkretisieren sich die Überlegungen zum Start eines digitalen US-Dollars. Andere Währungsräume sind da schon weiter: China testet den digitalen Renminbi längst in der Praxis, lokale Unternehmen können dortbereits mit der digitalen Form des Zentralbankgelds arbeiten.

Die Revolution des Zahlungsverkehrs hat also begonnen, Banken und Treasury-Abteilungen dürfte eine Zäsur bevorstehen. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter digitalen Zentralbankwährungen? Wie unterscheiden sie sich von heute bekannten Formen des Geldes und privatwirtschaftlichen Initiativen rund um programmierbares Geld? DerTreasurer beantwortet fünf Fragen rund um CBDC.

Update 14.7.:
Die EZB hat heute bekanntgegeben, dass sie einen digitalen Euro einführen wird. Die Zentralbank beginnt nun mit einer zweijährigen Untersuchungsphase, in der über das Design der digitalen Zentralbankwährung entschieden werden soll. Die endgültige Umsetzung wird dann nochmals einige Jahre dauern.

Zum Konzept und zur technischen Umsetzung hält sich die EZB noch bedeckt. Allerdings betonte die Notenbank, der digitale Euro werde das Bargeld ergänzen, nicht ersetzen. Zudem gelte die Privatsphäre zu schützen und Risiken für die Bürger, die Finanzbranche und die gesamte Wirtschaft zu vermeiden. Auch die Sorgen der Banken nimmt die EZB ernst: In der Konzeptionsphase werde auch ein Geschäftsmodell für die „überwachten Intermediäre“, also Banken und andere Zahlungsdienstleister, definiert.

CBDC: Was ist das eigentlich?

Bisher gibt es zwei Formen von Geld: Bargeld in Form von physischen Banknoten und Münzen sowie Giralgeld, also die Guthaben auf Konten von Geschäftsbanken. Mit Central Bank Digital Currencies könnte nun eine dritte Form entstehen: elektronisches Geld, das von den Zentralbanken direkt an die Bevölkerung herausgegeben wird.

In diesem Fall könnten Privatpersonen und Unternehmen ihr Cash direkt auf Konten („Wallets“) bei den jeweiligen Zentralbanken halten und von dort aus Zahlungen ausführen. Banken wären dann als Intermediäre nicht mehr notwendig. Dadurch entfiele nicht nur das Kontrahentenrisiko. Der Zahlungsverkehr könnte auch schneller, einfach und kostengünstiger werden, wenn Banken ausgeklammert werden.

„Der Zahlungsverkehr könnte schneller, einfach und kostengünstiger werden, wenn Banken ausgeklammert werden.“ 

Diese Form von CBDC wird auch als „Retail CBDC“ bezeichnet, da Endkunden direkten Zugang zu Zentralbankwährungen haben. Bei der „Wholesale CBDC“ wird die Zentralbankwährung dagegen weiterhin über Geschäftsbanken herausgegeben. Die Aufgabe der Banken können in diesem zweistufigen System sehr unterschiedlich ausgelegt sein. Entsprechend werden auch Mischformen bei CBDCs existieren.

Wie könnte die EU den digitalen Euro umsetzen?

Die EU hat sich noch nicht entschieden, nach welchem Modell sie den digitalen Euro umsetzen wird. Bernd Richter, Experte für Zahlungsverkehr bei dem Softwareanbieter FIS, rechnet jedoch damit, dass die EZB den nationalen Zentralbanken des Euro-Systems große Freiheiten lassen wird: „Ich vermute, dass die EU einen Rahmen vorgeben wird, wie Zahlungen mit dem digitalen Euro abgewickelt werden müssen.“ Die Umsetzung der Infrastruktur werde aber wohl an lokale Zentral- und Geschäftsbanken delegiert, so die Prognose des Zahlungsverkehrsexperten: „Dieses Vorgehen kennen wir auch von anderen Initiativen aus dem Bereich des Zahlungsverkehrs wie etwa der PSD2 oder SEPA Instant Payments.“

So könnte es passieren, dass in einigen Ländern Unternehmen ihre Wallets direkt bei den nationalen Zentralbanken halten können, in anderen man aber möglicherweise den Umweg über die Banken geht. „Im Hintergrund findet in den entsprechenden Gremien bei einigen Nationalbanken bereits Lobbying statt“, beobachtet Richter. Das gelte vor allem für Bankenvertreter. Aber auch ein paar „visionäre Treasurer“ würden sich in die Diskussionen einbringen.

Welche Rolle spielt die Blockchain-Technologie?

Die Blockchain-Technologie spielt bei den Überlegungen eine entscheidende Rolle. Schließlich sind CBDCs eine Antwort auf Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum, die auf der Blockchain basieren. Mit diesen Währungen nahm die Ära des programmierbaren Geldes ihren Anfang.

Inzwischen gibt es auch sogenannte Stable Coins wie die Facebook-Kryptowährung Diem oder den JP Morgan Coin. Sie basieren ebenfalls auf der Blockchain-Technologie, ihr Wert ist aber an Fiatwährungen geknüpft, sodass sie weniger volatil als Bitcoin und Co. sind. Sie eignen sich daher auch als Zahlungsmittel für die zunehmend digitale Wirtschaft. So könnten sie beispielsweise für automatisierte Maschine-zu-Maschine-Zahlungen eingesetzt werden.

Das Problem: Diese Stable Coin werden von privatwirtschaftlichen Unternehmen herausgegeben. Diese Abhängigkeit könnte eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität darstellen, argumentieren einige Kritiker, denn Währungen hängen massiv vom Vertrauen in die herausgebende Institution ab. Darauf sollen CBDCs eine Antwort sein. Wenn sie für die digitale Wirtschaft einen echten Mehrwert bieten sollen, müssen sie allerdings auch programmierbare Eigenschaften haben.

Welche Chancen ergeben sich für Treasurer?

Bislang sind es nur wenige Finanzverantwortliche, die sich zu dem Thema zu Wort melden. Kurt Schäfer, Treasury-Chef bei Daimler, erklärte etwa jüngst gegenüber DerTreasurer, dass er sich einen digitalen Euro wünscht. Schäfer erklärte diese Forderungen zum einen mit der „geldpolitische Souveränität“ des Euro-Raums – schließlich sind andere Länder mit digitalen Zentralbankwährungen schon deutlich weiter und auch privatwirtschaftliche Initiativen sorgen für Druck. 

Zum anderen verknüpft der Autobauer aber auch handfeste wirtschaftliche Interessen mit dem digitalen Euro: „Geschäftsmodelle wie Pay per Use oder digitale Wertpapiere bieten in Verbindung mit einem digitalen Euro die Chance für zusätzliche Effizienz in der Abwicklung.“ Über Smart Contracts könnten Zahlungen automatisiert ausgeführt werden. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass nutzungsbasierte Abrechnungsmodelle überhaupt wirtschaftlich eingesetzt werden können.

„Geschäftsmodelle wie Pay per Use oder digitale Wertpapiere bieten in Verbindung mit einem digitalen Euro die Chance für zusätzliche Effizienz in der Abwicklung.“

Kurt Schäfer, Treasury-Chef von Daimler

Jenseits dieser geschäftspolitischen Überlegungen hat der digitale Euro auch Folgen für das Cash Management: „Wenn digitale Zentralbankwährungen irgendwann einmal flächendeckend eingeführt sein sollten, wird dies auch die Prozesse im Treasury stark vereinfachen“, sagt FIS-Experte Richter. Weder benötige es dann komplexe Inhouse Banken, noch Kontoauszüge: „Das ist alles obsolet, weil die Unternehmen über sichere, programmierbare Schnittstellen (APIs) jederzeit einen Einblick auf ihre Wallets haben.“

Ein weiterer Vorteil: „Das Financial Supply Chain Management kann revolutioniert werden“, meint FIS. Ein Beispiel dafür lieferten jüngste die beiden Chemiekonzernen BASF und Evonik, die untereinander Forderungen mit Hilfe von programmierbarem Geld ausgeglichen haben. 

Was bedeuten programmierbare Währungen für Banken?

Klar ist: Die Rolle der Bank würde sich mit Einführung eines digitalen Euros drastisch verändern. Als klassische Intermediären werden sie künftig kaum noch gebraucht. Die Suche nach neuen Geschäftsmodellen – nicht nur im Zahlungsverkehr – läuft längst auf Hochtouren. Beim Test zwischen BASF und Evonik spielte auch die Commerzbank eine entscheidende, innovative Rolle: Sie stellte die Blockchain-Plattform, über die die Zahlungen abgewickelt wurde und war zugleich Herausgeber des digitalen Geldes.

„Es ist gut, dass die Privatwirtschaft eigene Initiativen rund um E-Geld schon heute startet, aber ob diese skalierbar und massentauglich werden bleibt fraglich.“

Bernd Richter, Zahlungsverkehrsexperte bei FIS

Dieses E-Geld ist allerdings wohl nur ein Zwischenschritt auf dem Weg hin zu CBDCs. Wenn es digitale Zentralbankwährungen gibt, dürften diese Entwicklungen der Banken obsolet sein, vermutet FIS-Manager Richter: „Es ist gut, dass die Privatwirtschaft eigene Initiativen rund um E-Geld schon heute startet, aber ob diese skalierbar und massentauglich werden bleibt fraglich.“ Solange Banken nicht zusammenarbeiteten, bleibe es am Ende bei Insellösungen, die durch CBDC dann obsolet werden.

Allerdings dürfte es noch Jahren dauern, bis der digitale Euro tatsächlich auf den Markt kommt. Vor 2026 sei damit nicht zu rechnen, erklärte jüngst EZB-Direktor Fabio Panetta. Das zeigt: Bis dahin haben privatwirtschaftliche Initiativen ihre Berechtigung.

Buchholz[at]derTreasurer.de