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31.08.21
Risiko Management

Fintech dreht den Spieß bei Warenkreditversicherungen um

Was wäre, wenn nicht die Lieferanten, sondern die Abnehmer bei Warenkreditversicherungen im Driver-Seat säßen? Das Fintech Delfactis verfolgt diesen Ansatz. Das ist die Idee.

Die Coronakrise hat viele Mängel am Markt für Warenkreditversicherungen offengelegt. Einer davon: Der Versicherer hat kein Vertragsverhältnis zum Abnehmer, dessen Bonität er bewerten muss. Die Geschäftsbeziehung besteht zwischen dem Versicherer und dem Lieferanten, der das Risiko eines Zahlungsausfalls absichert. Die Folge: Die Abnehmer wissen nicht, wie hoch die auf sie gewährten Limite sind.

Einige Einkäufer versuchen trotz der Intransparenz Einfluss zu nehmen: Um Limite schnell wieder freizubekommen, bietet etwa der Elektronikhändler Ceconomy seinen Lieferanten Dynamic Discounting an – zahlt Rechnungen also vorzeitig gegen einen Rabatt.

Delfactis setzt auf zentrale Delkredere-Absicherung

Eine andere Möglichkeit, versicherungsbedingte Lieferengpässe zu vermeiden, hat der Zahlungsdienstleister Delfactis entwickelt. Das Fintech aus Starnberg dreht den Spieß um: Delfactis schließt für den Abnehmer ein zentrales Kreditlimit bei einem der drei großen Warenkreditversicherer Euler Hermes, Atradius oder Coface direkt oder indirekt ab. Die beteiligten Lieferanten erhalten im Gegenzug eine 100-prozentige Zahlungsgarantie aus diesem Topf und tragen auch weiterhin die Kosten für die Absicherung. So sei es möglich, „Limite zentral zu managen“, sagt Vorstand Martin Kötje.

Ihm zufolge sind Limite oft nicht effizient unter den Zulieferern verteilt: „Warenkreditversicherer profitieren von Übersicherungen, und auch Lieferanten ist diese Intransparenz in Preisverhandlungen mit dem Abnehmer oft nur recht.“ Als schwacher Einkäufer könne man dieses Modell nicht optimal durchsetzen, räumt Kötje ein. Insgesamt erreiche man pro Kunde jedoch eine Abdeckung von 60 bis 70 Prozent des Einkaufsvolumens.

Delfactis will Volumen auf 1 Milliarde Euro steigern

Vor allem im Handel und bei Lebensmittelherstellern sei die Lösung etabliert, berichtet der Fintech-Chef. Zu den Kunden von Delfactis gehört etwa der Spirituosenkonzern Underberg, der Konfitürehersteller Schwartauer Werke und die Sportbootwerft Bavaria Yachtbau. Insgesamt zählt das Fintech laut eigenen Angaben 900 aktive Kunden und Lieferanten, in diesem Jahr plane man mit einem vermittelten Absicherungsvolumen von 1 Milliarde Euro.

Delfactis erhält die Zahlung vom Abnehmer und leitet diese an den Lieferanten weiter. Das Geld liege auf Treuhandkonten, so dass die Gelder im Falle einer Insolvenz abgesondert wären, erklärt Kötje. Auch in den Finanzierungsbereich stößt das Fintech vor: „Zwischenfinanzierungen über bis zu 60 Tage sind möglich.“ Delfactis kooperiert mit Factoringanbietern wie Coface oder BNP Paribas und der auf Supply Chain Finance fokussierten Plattform CRX Markets.

Buchholz[at]derTreasurer.de