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04.12.20
Risiko Management

Schutzschirm für Warenkreditversicherer verlängert

Aufatmen bei Risikomanagern: Die Warenkreditversicherer haben sich mit der Bundesregierung auf eine Verlängerung des Schutzschirms bis Ende Juni 2021 geeinigt. Danach soll aber Schluss sein.

Mehr als zwei Monate zogen sich die Verhandlungen hin, jetzt ist die Verlängerung des Schutzschirms für Warenkreditversicherungen in trockenen Tüchern. Bundesregierung und Kreditversicherer einigten sich darauf, das Rettungspaket bis zum 30. Juni 2021 zu verlängern. Das teilte das Wirtschafts- und das Finanzministerium sowie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am heutigen Freitag mit.

Der im April abgeschlossene Schutzschirm soll sicherstellen, dass Warenkreditversicherer, Deckungszusagen für Unternehmen aufrechterhalten. Der Bund übernimmt daher eine Garantie für Entschädigungszahlungen der Kreditversicherer in Höhe von bis zu 30 Milliarden Euro. Der Schutzschirm gilt weiterhin nur für jene Unternehmen, die durch die Coronakrise in Schwierigkeiten geraten sind.

Das Rettungspaket ist ein wichtiger Baustein zur Stabilisierung von Lieferketten. Zugleich soll die Gefahr von Zahlungsausfällen für deutsche Lieferanten eingedämmt werden. Mit der nun erfolgten Einigung, die sich bereits abgezeichnet hatte, haben die Unternehmen Planungssicherheit für die kommenden Monate.

Warenkreditversicherer handeln neue Bedingungen aus

Allerdings wird der Schutzschirm nicht eins zu eins weitergeführt. Im Detail gibt es Änderungen: So steigt die Selbstbeteiligung der Warenkreditversicherer im Falle von Schäden auf 10 Prozent. Verluste bis zu einer Höhe von 3 Milliarden Euro tragen die Versicherer also künftig selbst. Bisher waren es 500 Millionen Euro. Ausfälle, die über den Schutzschirm hinausgehen, übernehmen die Anbieter ohnehin selbst.

Im Gegenzug müssen die Warenkreditversicherer allerdings einen geringeren Anteil ihrer Prämie an den Bund abtreten. Sie führen im ersten Halbjahr 2021 nur knapp 60 Prozent ihrer Prämieneinnahmen an den Bund ab. Bisher waren es 65 Prozent.

Unter Marktexperten sorgt diese Neujustierung – mehr Risiken auf die eigenen Bücher für etwas höhere Einnahmen – für Verwunderung. „Viele Kreditversicherer betonen derzeit die Gefahren für die weitere wirtschaftliche Entwicklung“, so ein Beobachter. Das äußere sich auch in einer zurückhaltenderen Zeichnungspolitik. „Daher ist es erstaunlich, dass sie nun den Eigenanteil erhöhen.“

An der Einigung sind unter anderem Atradius, Coface, Credendo, Euler Hermes, R+V und Zurich beteiligt. Die Kreditversicherer verpflichten sich im Gegenzug für die Garantie des Bundes, ihre bestehenden Kreditlimite „weitestgehend aufrecht zu erhalten“, teilte der GDV mit. Die Verlängerung muss jetzt noch von der Europäische Kommission genehmigt werden. Die Zustimmung der EU-Kommission gilt jedoch eher als Formalie. 

Euler Hermes befristete Limite für „schwache Bonitäten“

Ursprünglich wäre der Schutzschirm zum Jahresende ausgelaufen. Warenkreditversicherungsmakler und Factoring-Gesellschaften hatten jedoch seit Monaten auf eine Verlängerung gedrungen. Sie fürchteten eine Pleitewelle im Mittelstand, sollte die Garantie des Bundes auslaufen.

Nahezu alle Forderungen, die via Factoring finanziert werden, sind auch versichert. Zögen sich Warenkreditversicherer zurück, dann würde auch Factoring als Instrument zur Liquiditätsbeschaffung nicht mehr funktionieren, so die Argumentation der Factoring-Anbieter.

Die Sorge war nicht unbegründet: Im Spätsommer hatte der Warenkreditversicherer Euler Hermes seine Limite für Unternehmen mit „schwachen Bonitäten“ bis zum Jahresende befristet, wie DerTreasurer damals exklusiv berichtete. Die Allianz-Tochter begründete dies damals mit dem auslaufenden Schutzschirm. Der Schritt sorgte für Aufregung, schließlich ist Euler Hermes in Deutschland Marktführer: Knapp die Hälfte aller Deckungszusagen der deutschen Kreditversicherer über insgesamt 400 Milliarden Euro entfallen auf das französische Unternehmen.

Versicherer wollen keine weitere Verlängerung

Spekuliert wurde damals auch, dass Euler Hermes mit dieser Entscheidung Druck auf die Politik ausüben wollte, ihr bei den Bedingungen des Schutzschirms entgegenzukommen. Der Warenkreditversicherer hatte damals gegenüber DerTreasurer erklärt, die aktuellen Bedingungen seien „sehr nachteilig“.

„Nach Auslaufen des Schutzschirms zum 30. Juni 2021 greifen wieder die üblichen Marktmechanismen und Geschäftsprozesse."

Euler Hermes

Wie zufrieden die Anbieter nun mit der Neuadjustierung des Schutzschirms sind, ist nicht klar. Auffällig ist jedoch, dass nahezu alle Kreditversicherer betonen, man komme damit einer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung nach: „Es geht nicht darum, die Kreditversicherer zu stützen. Bundesregierung und Kreditversicherer agieren vielmehr gemeinsam und solidarisch im Interesse der Unternehmen“, erklärte etwa Katarzyna Kompowska, Country Managerin der deutschen Niederlassung von Coface.

Zudem zeichnet sich ab, dass es keine weitere Verlängerung des Schutzschirms geben soll. „Nach Auslaufen des Schutzschirms zum 30. Juni 2021 greifen wieder die üblichen Marktmechanismen und Geschäftsprozesse und die Kreditversicherer werden wieder wie marktüblich die individuelle Bonitätsbewertung auf der Grundlage der tatsächlichen Ist-Situation in den einzelnen Unternehmen festlegen“, erklärte etwa Euler Hermes. Thomas Langen, Deutschland-Chef von Atradius erklärte: „Es ist geplant, dass Atradius die Risiken ab Juli 2021 dann wieder vollumfänglich für seine Kunden übernimmt.“

Der genossenschaftliche Anbieter R+V scheint derweil sogar eine Chance in der Coronakrise zu sehen, seinen Marktanteil zu höhen. Man habe das Kreditvolumen 2020 um etwa 13 Prozent ausgebaut, erklärte R+V. Um weiterhin seriöse Kreditentscheidungen treffen zu können, habe man das Team für Kredit-/Kautionsversicherung zur Jahresmitte deutlich aufgestockt.

Buchholz[at]derTreasurer.de

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