KfW-Bildarchiv/ThorstenFuth

16.04.20
Finanzen & Bilanzen

Coronakrise: Das kann beim KfW-Kreditantrag schiefgehen

Die KfW erfährt in der Coronakrise einen regelrechten Ansturm auf ihre Hilfskredite. Doch die Auszahlung der Gelder dauert oft länger als gedacht. Die beiden Finanzierungsanwälte Andreas Naujoks und Torsten Wehrhahn nennen die Gründe.

Die Coronakrise hat die deutsche Wirtschaft fest im Griff. Um mögliche Liquiditätsengpässe zu vermeiden und einem Bruch der Kreditauflagen vorzubeugen, ergreifen Treasurer einen Strauß an Maßnahmen. Neben der Ausweitung bestehender Kredite, einer vorübergehenden Zins- und Tilgungsaussetzung und der Vereinbarung von Holiday-Perioden, in der die Financial Covenants weiter gefasst oder sogar ganz ausgesetzt werden, greifen viele Unternehmen auf die Hilfskredite der KfW zurück.

Noerr: Voraussetzungen für KfW-Kredite „noch im Fluss“

Doch beim Stellen eines Antrags kann viel schiefgehen: Die Programme sind wegen der Förderziele und der Voraussetzungen für eine Förderung nicht für jedes Unternehmen geeignet, und die Gelder brauchen oft länger als gedacht, bis sie bei den betroffenen Unternehmen ankommen.

„Man darf bei dem KfW-Sonderprogramm 2020 und dem Sonderprogramm ,Direktbeteiligung für Konsortialfinanzierung‘ nicht vergessen, dass es sich um ganz neue Förderprogramme handelt, deren Voraussetzungen im Detail noch im Fluss sind und die auch im Dialog mit der Kreditwirtschaft stetig aktualisiert und nachgeschärft werden“, sagen Andreas Naujoks und Torsten Wehrhahn, beide Anwälte bei der Wirtschaftskanzlei Noerr.

Adidas und Tui erhalten KfW-Hilfskredite

Hinzu kommt, dass die Banken und die KfW mit Anträgen für die Hilfskredite geradezu überrannt werden. Zum Geschäftsschluss 14. April lagen der staatlichen Förderbank mehr als 9.700  Anträge mit einem Gesamtvolumen von fast 23 Milliarden Euro vor. Mehr als 98,8 Prozent davon entfallen auf Anträge im Volumen von weniger als 3 Millionen Euro, wie die KfW auf ihrer Website mitteilt. 14 Kreditanträge haben demnach jeweils ein Kreditvolumen von über 100 Millionen Euro, insgesamt stehen allein diese für ein Kreditvolumen von mehr als 18 Milliarden Euro.

Zwei prominente Beispiele gibt es in dieser Gruppe bislang: Der Reisekonzern Tui hat als erstes deutsches Unternehmen das KfW-Sonderprogramm für Konsortialkredite in Anspruch genommen. In dieser Woche hat sich der Sportartikelhersteller Adidas einen KfW-Hilfskredit über 2,4 Milliarden Euro gesichert.

Die KfW greift also schon zahlreichen Unternehmen mit frischem Geld unter die Arme. Aber „man hat das Gefühl, dass sie nicht mit solch einen Ansturm gerechnet hat“, ist aus Marktkreisen zu hören. Um dem Andrang dennoch gerecht zu werden, soll die staatliche Förderbank demnach zur Prüfung der Dokumentation externe Berater hinzuziehen. Zudem sei sie bemüht, möglichst viele interne Mitarbeiter aus anderen Bereichen für die Bearbeitung der neuen Sonderprogramme abzustellen, sagen die Marktteilnehmer weiter.

KfW-Erfahrungsschatz bei mancher Bank nicht sehr groß

Ein weiteres Problem ist, dass nicht alle Banken ihren Firmenkunden die Förderprogramme der KfW vor der Coronakrise überhaupt aktiv angeboten haben. Das führt dazu, dass der Erfahrungsschatz mit den KfW-Programmen bei manchen Kreditinstituten nicht besonders groß ist. Firmenkundenbetreuer und Fördermittelspezialisten müssen sich erst einmal mit dem Anforderungskatalog der KfW vertraut machen.

„Gerade kleine und mittelständische Unternehmen können mit dem Anforderungskatalog für das KfW-Sonderprogramm überfordert sein.“

Andreas Naujoks, Rechtsanwalt, Noerr

Auch hilft kurzfristig nur wenig, dass die Banken die Anzahl an Förderkreditspezialisten deutlich aufgestockt haben. Denn auch die Newcomer müssen sich erst einmal mit den Programmen auseinandersetzen.

Wenn ein Kreditinstitut zudem bislang noch gar nicht mit der KfW zusammengearbeitet hat, kommt ein weiteres Problem hinzu: „Manche Kreditinstitute sind noch gar nicht bei der KfW akkreditiert“, berichtet Wehrhahn. Und das ist notwendig, um an den KfW-Sonderprogrammen überhaupt teilnehmen zu können. Ansonsten können die Antragsdaten gar nicht übermittelt und verarbeitet werden.

„Die Akkreditierung bei der KfW ist kein Hexenwerk“, betont der Anwalt. Aber es dauere ein bis zwei Wochen, bis die Banken an Bord sind – Zeit, die manches Unternehmen nicht haben dürfte und daher zur Zwischenfinanzierung gegebenenfalls auf Überbrückungskredite angewiesen ist.

Treasurer kämpfen mit Liquiditätsplanung

Auch bei den kreditsuchenden Unternehmen kann einiges schiefgehen, was die dringend benötigte Auszahlung der Gelder verzögert. „Die Unternehmen kämpfen derzeit an vielen Fronten. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen können mit dem Anforderungskatalog für das KfW-Sonderprogramm überfordert sein “, sagt Noerr-Anwalt Naujoks.

So liegen die für die Antragsstellung notwendigen Dokumente nicht immer ad hoc vor. Denn neben dem entsprechenden Antragsformular müssen beispielsweise auch Jahresabschlüsse der vergangenen zwei Jahre sowie eine profunde Liquiditätsplanung für die nächsten zwölf Monate mit verschiedenen Szenarien eingereicht werden.

„Gerade bei der Liquiditätsplanung müssen viele Unternehmen nacharbeiten, damit sie den Anforderungen der KfW genügen“, sagt Naujoks weiter. Die Tatsache, dass niemand weiß, wie lange der Shutdown und die Coronakrise insgesamt andauern werden, macht es für Treasurer nicht gerade einfacher, eine Liquiditätsplanung für die kommenden Monate aufzustellen. Verschiedene Szenarien müssen durchgespielt werden – und auch das kostet Zeit.

„Selbst wenn alle Unterlagen für die Antragsstellung vorliegen und der Antrag bewilligt wird, kann es trotzdem ein paar Wochen dauern bis die Gelder wirklich ausbezahlt sind“, glaubt Naujoks. Das könnte für manche Unternehmen zu lange sein.

So kann die KfW beim Konsortialkredit einsteigen

Große Mittelständler und Konzerne, die bereits einen Konsortialkredit abgeschlossen haben, haben jetzt gewisse Vorteile. Denn sie können neben dem KfW-Unternehmerkredit auch auf das Sonderprogramm „Direktbeteiligung für Konsortialfinanzierung“ zurückgreifen, sofern der Kreditbedarf mindestens 25 Millionen Euro beträgt. Weitere Voraussetzungen sind, dass die bestehenden Kreditgeber mit der nach dem Vertrag erforderlichen Mehrheit der Aufnahme einer weiteren Kredittranche zustimmen sowie sich bereit erklären, 20 Prozent des zusätzlichen Kreditrisikos zu übernehmen.

„Wenn der Konsortialkredit bereits mit einer passenden Incremental Facility ausgestattet ist, kann die Umsetzung relativ einfach sein“, sagt Wehrhahn. Der Grund: Dann könne die neue KfW-Tranche einfach über die vorgesehenen Anträge und unter Aufnahme der KfW als Kreditgeber bereit gestellt werden. Eine weitere Variante sei der Abschluss einer Änderungs- und Neufassungsvereinbarung, eines sogenannten Amendment and Restatement Agreements, in dessen Rahmen dann die KfW-Tranche und die von den Kreditgebern gegebenenfalls geforderten Anpassungen in den Kreditvertrag aufgenommen würden, sagt Wehrhahn weiter.

Schwierig kann es laut dem Anwalt hingegen werden, wenn die KfW „die Bereitstellung ihrer Tranche mit der Anpassung des bestehenden Kreditvertrags an einen von der KfW als wesentlich erachteten Anforderungskatalog knüpft“ und zum Beispiel Sonderrechte bei der Kündigung und Rückführung ihrer Kreditzusagen, zusätzliche Zusicherungen oder Sonderzustimmungsrechte bei Vertragsänderungen mit in den Kreditvertrag hineinverhandeln will. „Da jeder Kreditvertrag eine eigene Historie hat, kann die schablonenhafte Implementierung von Änderungsanforderungen die Transaktionskosten erhöhen und die Vertragsverhandlungen um ein bis zwei Wochen verlängern“, schätzt Wehrhahn.

Tilgung der KfW-Hilfskredite nicht unterschätzen

Hat ein Unternehmen nachgewiesen, dass es bei Zuteilung der KfW-Hilfskredite durchfinanziert ist und den Kapitaldienst auf Basis der Planszenarien erbringen kann, steht nichts mehr im Wege, die Programmkredite zu beantragen. Sobald die Gelder erst einmal ausbezahlt sind, kann das Unternehmen durchatmen – bei dem KfW-Unternehmerkredit zumindest kurz, denn es droht schon weiteres Ungemach.

In manchen Fällen steigt die Verschuldung durch die KfW-Hilfskredite um 50 oder gar 60 Prozent, ist aus Marktkreisen zu hören. Diese Gelder sind je nach Antrag entweder bereits nach zwei Jahren oder in Raten innerhalb von fünf Jahren zurückzuzahlen, was für einige Unternehmen eine Herkulesaufgabe werden wird.

„Schon heute ist davon auszugehen, dass die Tilgungsvorgaben in den KfW-Programmen für viele Unternehmen problematisch werden dürften“, glaubt Anwalt Naujoks. „Insbesondere für Unternehmen, die nach Ende der Pandemie keine Aufholeffekte nutzen können, wird es sehr schwer werden, die KfW-Kredite bereits innerhalb von bis zu fünf Jahren aus dem Cashflow zurückzuführen.“ Dies dürfte umso mehr gelten, wenn das Unternehmen zeitgleich andere Kredite, Schuldscheine oder Anleihen zurückzahlen muss. Abhilfe könnte eine umfassende Anschlussfinanzierung leisten. Diese müsse rechtzeitig geplant und angegangen werden, empfiehlt Naujoks.

„Wenn der Konsortialkredit bereits mit einer passenden Incremental Facility ausgestattet ist, kann die Umsetzung relativ einfach sein.“

Torsten Wehrhahn, Rechtsanwalt, Noerr

Unternehmen, die sich bislang weitgehend über Gesellschafterdarlehen, den Kapitalmarkt oder ausländische Fonds finanziert haben und damit über keine stabile Beziehung zu einer Hausbank verfügen, stehen vor einem ganz anderen Problem: Sie finden erst einmal keinen Zugang zu den KfW-Hilfskrediten. Der Grund: „Kreditinstitute konzentrieren sich angesichts des Ansturms zunächst einmal auf ihre bestehenden Firmenkunden und agieren bei Anträgen von Neukunden mit Zurückhaltung“, berichtet Noerr-Anwalt Wehrhahn.

KfW-Hilfskredite kein Allheilmittel

Obwohl die KfW-Hilfskredite ein gutes Mittel zu günstigen Konditionen sind, um zumindest einen Teil der deutschen Wirtschaft zu stützen und die Folgen der Coronakrise teilweise abzumildern, sind sie kein Allheilmittel und auch nicht für jedes Unternehmen geeignet. „Die deutschen Unternehmen sollten die KfW nicht als den weißen Ritter schlechthin ansehen“, glaubt Naujoks. Ansonsten könnte es ein böses Erwachen geben, falls die Mittel aus einem der genannten Gründe nicht rechtzeitig oder sogar gar nicht fließen.

Paulus[at]derTreasurer.de

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