Der Cash Management Campus in Köln Wolkenburg.

F.A.Z. Business Media GmbH/A. Varnhorn

23.06.22
Cash Management & Zahlungsverkehr

Das war der Cash Management Campus 2022

Endlich wieder Cash Management Campus live und in Köln! Bei unserem zehnjährigen Jubiläum ging es um APIs, die Zinswende, ISO 20022 und vieles mehr. Das waren die Highlights.

10 Jahre Cash Management Campus – Zeit um zurückzuschauen, aber auch einen Ausblick zu wagen. Welche Trends werden das Cash Management in den nächsten Jahren prägen?

Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums schauten die Podiumsteilnehmer der ersten Diskussion zurück: Welche Themen waren 2013 relevant, als das Event erstmals in Köln stattfand? Speziell die SEPA-Einführung stand damals im Vordergrund wichtig, berichtet Andrej Ankerst, Leiter Cash Management in Deutschland und Österreich von der BNP Paribas. In einem Workshop erarbeiteten die Teilnehmer damals Lösungsansätze und Fragen. „Dabei gab es interessante Findings, die heute noch Thema sind“, sagt Ankerst.

Dazu gehört etwa die Nutzung der Automatisierung als Lösung, gerade für das Reporting. Im Online-Handel bestünden noch Probleme bei der Nutzung von Lastschriften, einem wichtigen Zahlungsverfahren im E-Commerce. Und Länderspezifika, die bis heute nicht ausgeräumt sind, wie auch VDT-Spezialist Norbert Hambloch in der Diskussion bemängelte. 

Carola Schmitz-Becker, Leiterin Corporate Treasury von der Deutschen Post, schließt sich dem an: „Viele der Themen, die damals wichtig waren, wie beispielsweise die Einführung unserer Payment Factory, spielen auch heute noch eine Rolle, weil es langfristige Projekte sind.“ Beim Schwenk zu den aktuellen Herausforderungen berichtete Schmitz-Becker, dass besonders bei den Themen Fraud und Cybercrime die einzelnen Fachabteilungen im Treasury gefragt sind. Wichtig seien Fallback-Lösungen und Business-Continuity-Pläne, wenn Hacker Systeme blockieren würden. 

Ukrainische Mitarbeiter bei Autodoc

Aber natürlich war auch der Krieg in der Ukraine ein Thema: Ganz ruhig im Saal wurde es als Kai Bremer, Director Treasury von Autodoc, von den ukrainischen Mitarbeitern berichtet. Autodoc hat insgesamt drei Standorte in der Ukraine – in der Hauptstadt Kiew, der Hafenstadt Odessa und der Metropole Charkiw. Obwohl alle drei Niederlassungen geschlossen sind, arbeiten viele der Ukrainer weiter, zeitweilig sogar aus dem Bunker, so Bremer. Geopolitische Risiken wie der Krieg und auch das neue Zinsumfeld werden die Arbeit im Treasury prägen, sind sich alle einig. 

Gefragt nach der Technologie, die die nächsten zehn Jahre das Treasury beeinflussen wird, nennt Kai Bremer APIs. Norbert Hambloch vom VDT denkt an Realtime-Prozesse, Schmitz-Becker nennt automatisierte Workflows innerhalb des Unternehmens und Ankerst glaubt, dass das Thema Robotics am wichtigsten wird. 

Es gibt also noch viele Ansatzpunkte, Prozesse im Treasury weiter zu entwickeln. Im Laufe des Tages schlossen viele Vorträge an die Auftaktdiskussion an. Besonders positiv sahen die Teilnehmer die Tatsache, dass der „Campus“ nach zwei Jahren mit virtuellen Veranstaltungen wieder vor Ort in der Kölner Wolkenburg stattfinden konnte. In dem renovierten historischen Gebäude feierten DerTreasurer und BNP Paribas das zehnjährige Jubiläum des Cash Management Campus. Partner Swift lud schon am Vorabend zu einem entspannten Get-together. 

So nutzt Rewe eBam und die eSignatur

Im inhaltliches Fokus standen viele digitale Ansätze, etwa die Themen eBam und E-Signatur. Benjamin Altmeyer und Tim Wagler von der Rewe Group berichteten, wie es dazu kam, dass sie beides eingeführt haben. Seit März dieses Jahres nutzen sie in ersten Zügen das standardisierte eBam.  

Ziel der Gruppe war die Delegation der Bankenkontenverwaltung an das Bank Account Management, damit man für Freigaben nicht zur Geschäftsführung muss und die Prozesse standardisiert sind. Heute ist es möglich einen Kontoreport elektronisch anzufordern und mit eBam können Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen, innerhalb von einem Tag bei den Banken gelöscht werden – allerdings gilt das nicht für alle Banken. Die Rewe-Spezialisten forderten die Teilnehmer deshalb dazu auf, auch deren Banken vom Nutzen der elektronischen Tools zu überzeugen. Altmeyer erläuterte zudem die unterschiedlichen E-Signaturen. Allerdings ist es auch hier komplizierter, da die Banken unterschiedliche Systeme nutzen. 

Ralf Klein, der bei Swift das Firmenkundengeschäft für Deutschland, Schweiz und Zentraleuropa verantwortet, gab Einblicke über den Status Quo bei ISO 20022. Ab November dieses Jahres beginnt die Formatumstellung. Laut Klein sind die Banken gut vorbereitet und auch die Unternehmen können „gelassen“ auf die Migrationsphase blicken, denn für sie würde es keine großen Umstellungsprojekte geben. Dennoch lohne es sich, das Projekt im Blick zu behalten.

Die Inflation wird in Peking und Moskau gemacht

Nach der Mittagspause ging es beim Cash Management Campus mit einem volkswirtschaftlichen Vortrag von Sypyros Andreopoulos, Senior European Economist der BNP Paribas, weiter. Er startete mit der These „Die Inflation wird in Peking und in Moskau gemacht, nicht in Frankfurt“ in seinen Vortrag. Trotz dessen sieht er Handlungsbedarf bei der EZB.

Andreopoulos geht davon aus, dass der Peak der Inflation noch nicht erreicht ist, erläutert allerdings auch, dass der Arbeitsmarkt robust ist. Doch die Risiken sind nicht zu verleugnen: Besonders ein Gasembargo könnte die deutsche Volkswirtschaft hart treffen.

Bezüglich der Zinswende der EZB sei eine der Hauptrisiken die Fragmentierung des Euroraums. Die Zentralbank scheint allerdings zu versuchen, Anleihen aus dem südeuropäischen Raum stützten zu wollen und gleichzeitig die Zinsen zu erhöhen. Er sei neugierig wie die EZB den Spagat bewerkstelligen wird, sagte der Volkswirt.

Alles selbst machen?

Kurz danach berichtete Gerd Berghold, Head of Treasury Operations and Digital Treasury bei der Deutschen Bahn, was die Deutsche Bahn im Bereich Digitalisierung und Fraud umsetzt. Seine Botschaft: Das Treasury des Eisenbahnkonzerns versucht möglichst viel selbst zu machen und setzt auf Inhouse-Lösungen. Der Vorteil sei, dass die Lösungen billiger seien, weil oft DB-Standartanwendungen benutzt werden oder Open-Source-Lösungen. Außerdem hebt Berghold den Mehrwert eines agilen Teams hervor.

Eines der vielen Beispiele, die Berghold nannte, ist Cash Forecast. Hierfür hat seine Abteilung ein Machine Learning programmiert, das aus der Vergangenheit lernt und die Zukunft ableitet. Bisher wurde es nur im Treasury für die Liquidität der nächsten sieben Tage genutzt und ist noch nicht perfekt. Allerdings könne diese Methode auch auf größere Bereiche angewendet werden. Eine weiteres Tool ist der Textmining-Webcrawler. Mit diesem werden frei verfügbare Informationen im Internet abgegriffen und analysiert. Der Webcrawler wird im Kreditmanagement eingesetzt: Mit dem Tool könne die Bahn beispielsweise sehen, bei welchen Kunden es schlecht läuft und so das Risiko besser abschätzen. Ein Thema, das früher durch manuelle Recherchen gemeistert werden musste. 

Auch Fraud ist ein wichtiges Thema für die Deutsche Bahn. Über ein Tool werden alle Zahlungen mit ehemaligen Zahlungen verglichen. Wenn es die erste Zahlung ist, läuten sofort die Alarmsektion. Diese werden einzeln geprüft. Ein wichtiger Punkt bei der Umsetzung: Das Profil der Treasurer verändere sich durch die Digitalisierung stark: Während früher Bankern dominierten, seien es heute mehr die Informatiker, so Berghold.

brendel[at]dertreasurer.de

Der 10. Cash Management Campus fand am 22. Juni in Köln statt. Zum gesamten Programm geht es hier.