In der Coronakrise: BNP-Paribas-Bankerin Dorothee Regazzoni erläutert die neuen Spielregeln am Kreditmarkt.

links: BNP Paribas, rechts: BNP Paribas/Markus Diekow; Montage: DerTreasurer

14.05.20
Finanzen & Bilanzen

BNP Paribas: „Kreditmarkt hat ein Re-Pricing erfahren“

Die Coronakrise wirkt sich direkt auf die Spielregeln am deutschen Kreditmarkt aus. Was sich in den vergangenen zwei Monaten verändert hat, erklärt BNP-Paribas-Bankerin Dorothee Regazzoni im Interview mit DerTreasurer.

Seit rund zwei Monaten hält die Coronakrise die deutsche Wirtschaft bereits in Atem. Innerhalb weniger Wochen hat das Virus auch die Spielregeln am deutschen Kreditmarkt verändert. So ist nicht nur die staatliche Förderbank KfW plötzlich für zahlreiche Konzerne von Adidas über Ceconomy bis hin zu Tui  zu einem der wichtigsten Geldgeber geworden. Parallel dazu hat der akute Liquiditätsbedarf bei vielen Unternehmen auch die seit Jahren eingeschliffenen Mechanismen mit Blick auf Ziehungspraktiken, Kreditlaufzeiten und Underwriting-Nachfrage auf den Kopf gestellt.

Firmenkundenchefin Dorothee Regazzoni von der BNP Paribas Deutschland ordnet die neuen Spielregeln am deutschen Kreditmarkt ein.

Dorothee Regazzoni ist seit Sommer 2018 Leiterin Unternehmenskunden im Bereich Corporate & Institutional Banking bei der BNP Paribas Deutschland.

Frau Regazzoni, sehr viele Unternehmen haben in den vergangenen Tagen und Wochen ihre Liquiditätspuffer gefüllt, um trotz des weggebrochenen Geschäfts und der massiven Umsatzeinbußen, einigermaßen gut durch die Zeit der Krise zu kommen. Dabei haben vielen Unternehmen auch Kreditlinien gezogen. Wie ist Ihre Wahrnehmung darauf?
Ja, am Anfang der Krise haben Kunden vermehrt Linien gezogen, und das Geld auf ihre Konten platziert. Inzwischen ist es klarer, welche Rolle Banken spielen, und wie die Unterstützung der öffentlichen Hand aussieht. Der Markt hat heute wieder mehr Vertrauen gefasst, Kreditlinien werden dann gezogen, wenn die Liquidität tatsächlich gebraucht wird.

Gründe für Liquiditätsreserven laut BNP Paribas vielfältig

Gibt es Ihrer Ansicht nach Branchen und oder Unternehmen einer bestimmten Größe, die davon besonders Gebrauch machen?
Ganz generell sehen wir das Bedürfnis nach höheren Liquiditätsreserven bei Unternehmen aller Größenordnungen und Sektoren. Die Gründe sind so vielfältig wie die Auswirkungen der Coronakrise auf die einzelnen Geschäftsmodelle. Unternehmen wollen nicht nur temporäre Geschäftsunterbrechungen abfedern, sondern auch bevorstehenden Fälligkeiten rechtzeitig refinanzieren. Andere nutzen neue Kredite, weil gewisse Finanzierungsinstrumente zeitweise nicht zur Verfügung standen wie zum Beispiel Commercial Paper.

„Kreditlinien werden heute dann gezogen, wenn die Liquidität tatsächlich gebraucht wird.“

Dorothee Regazzoni, Leiterin Unternehmenskunden, BNP Paribas Deutschland

Um wie viel Prozent ist die Anzahl der Kreditziehungen seit Mitte März speziell bei Kunden der BNP Paribas angestiegen?
Dies ist prozentual schwer zu fassen. Wir würden den Trend seit Anfang März so beschreiben: Erhöhte Liquiditätsbedürfnisse der Unternehmen drücken sich einmal darin aus, dass zusätzliche Banklinien angefragt werden sowie aber auch, dass Liquiditätsreserven in Form von Barbeständen deutlich zugenommen haben. Vor Covid-19 waren hingegen ungezogene Linien die Norm.

Warum Firmen existierende Back-up-Linien nicht ziehen

An welche Faktoren ist die Entscheidung geknüpft, ob die BNP Paribas der Ziehung von Linien zustimmt?
Unter welchen Bedingungen Ziehungen möglich sind, ist in Kreditverträgen definiert – diese gelten selbstverständlich auch in schwierigen Zeiten. Wir haben allerdings gesehen, dass zahlreiche Unternehmen die existierenden Backup-Linien ungezogen gelassen haben. Für den Liquiditätsbedarf haben sie stattdessen zusätzliche Linien mit ihren Bankpartner verhandelt, welche die heutigen Marktbedingungen reflektieren.

Warum?
Hierfür gibt es mehrere Gründe, beispielsweise wenn aus Ratinggründen einen ungezogener RCF notwendig ist, oder um in partnerschaftlicher Weise dem neuen Marktumfeld gerecht zu werden.

Mit Underwriting Liquidität absichern

Fragen Unternehmen seit Mitte März verstärkt auch Underwritings nach, um mehr Finanzierungssicherheit zu haben?
Wir haben eine Reihe von Underwriting-Anfragen gesehen. Dabei stand insbesondere das Bedürfnis von Großunternehmen klar im Vordergrund, mit großen Bankenkonsortien Transaktionsrisiken und Prozessdauer zu minimieren.

„Für den Liquiditätsbedarf haben zahlreiche Unternehmen zusätzliche Linien mit ihren Banken verhandelt, die die heutigen Marktbedingungen reflektieren.“

Dorothee Regazzoni, Leiterin Unternehmenskunden, BNP Paribas Deutschland

In der Regel fragen Unternehmen ein Underwriting nur in Sondersituationen wie beispielsweise bei M&A-Deals oder LBOs nach. In welcher Situation haben die Unternehmen in der Coronakrise danach gefragt?
Es ging fast ausschließlich um die Bereitstellung zusätzlicher Bankfazilitäten zur Absicherung der Liquidität, wenn die bereits existierenden Konsortialkredite aus bestimmten Gründen nicht gezogen werden sollten, beispielsweise, um das Rating nicht zu gefährden. Diese zusätzlichen Fazilitäten wurden oftmals nur von einem Teil des Bankenkonsortiums, den Kernbanken, mitgezeichnet, und hatten in der Regel eher kurze Laufzeiten.

Wie haben sich das Pricing und die generellen Konditionen für Underwritings für Unternehmen bei Ihnen seit Anfang dieses Jahres entwickelt?
Der Kreditmarkt hat ein generelles Re-Pricing erfahren. Ferner kann man feststellen, dass die Laufzeiten der neuen Fazilitäten eher bei ein bis zwei Jahren liegen. Wohin der Trend bei den langfristigen Konsortialkrediten geht, ist derzeit momentan noch schwer absehbar.

Paulus[at]derTreasurer.de

DerTreasurer hat in den vergangenen Tagen mit zahlreichen Finanzierungsbankern Gesprächen und schriftliche Kurzumfragen geführt. Daraus lassen sich fünf Trends ableiten, die den Kreditmarkt in der Coronakrise bislang prägten. Im E-Magazin 9-2020 erfahren Sie, welche das sind.

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