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27.05.21
Finanzen & Bilanzen

Banken gelingt Blockchain-Durchbruch

Die Commerzbank und die LBBW gehen mit der Blockchain-basierten Plattform Marco Polo live. Ist das der Startschuss für eine Revolution in der Handelsfinanzierung?

Es geht also doch: Mit der Commerzbank und der LBBW haben gleich zwei Banken Live-Transaktionen über die Trade-Finance-Plattform Marco Polo durchgeführt. Dabei handelte es sich jeweils um ein unwiderrufliches Zahlungsversprechen, das die Banken zugunsten des Lieferanten ausstellten. Das gaben die beiden Geldhäuser soeben bekannt.

Die LBBW begleitete dabei ein Handelsgeschäft zwischen dem Pumpen- und Armaturenhersteller KSB und dem Technologiekonzern Voith. Dabei handelt es sich um rein deutsches Geschäft. Die Commerzbank war gleich an zwei Transaktionen beteiligt: Zum einen war sie ebenfalls bei dem KSB-Voith-Deal involviert. Zum anderen wickelte die Bank ein grenzüberschreitendes Exportgeschäft von Deutschland in die Türkei ab. Als Partnerbank fungierte dabei die türkische İşbank. 

Blockchain bietet Vorteile für Trade Finance

Das Besondere an den Transaktionen: Sie konnten komplett digital über Marco Polo abgewickelt werden, der Austausch von papierhaften Dokumenten zwischen den Handelsparteien war den Banken zufolge nicht notwendig. Stattdessen erfolgte der Transfer sowie der Abgleich der für die Zahlungsabsicherung notwendigen Daten automatisch über die Plattform.

Möglich war dies den beteiligten Banken zufolge dank des Einsatzes der Blockchain-Technologie, auf der Marco Polo basiert. Diese habe sowohl die erforderliche Verbindlichkeit als auch die notwendige Diskretion bei der Abwicklung gewährleistet, heißt es von Seiten der LBBW.

„Nach mehreren Pilottransaktionen in den vergangenen Monaten ist die Transaktion ein echter Meilenstein auf dem Weg zur Marktreife“, sagt Michael Maurer, Bereichsleiter Global Trade & Export Finance bei der LBBW im Gespräch mit DerTreasurer. „Damit kommen wir unserem Ziel, Trade Finance sicherer, schneller und effizienter zu machen, ein gutes Stück näher.“

Ähnlich klingt das bei der Commerzbank: Transaction-Banking-Chef Nikolaus Giesbert attestiert der Blockchain-Anwendungen ein „enormes Potential“ für das Management von Lieferketten. Die beiden Geldhäuser gehören damit zu den ersten Banken weltweit, denen solche Live-Transaktionen gelangen.

Banken haben den Aufwand unterschätzt

Die Vorarbeit dafür war intensiv: Bereits 2017 hatte ein Bankenkonsortium um BNP Paribas, ING und Commerzbank Marco Polo ins Leben gerufen, später schlossen sich weitere Banken wie die LBBW an. Zuletzt war es allerdings still um die Initiative geworden, der ursprünglich für Anfang 2020 ins Auge gefasste Live-Start der zwei deutschen Banken verzögerte sich nun um mehr als ein Jahr. „Wir haben in den vergangenen Monate sehr viel entwickelt und mit unseren Partnern dazu gelernt“, erklärt Maurer die Verzögerung. „Der rechtliche Rahmen rund um die Infrastruktur, Technologie und Umsetzung ist sehr komplex.“

So hat das Marco Polo Netzwerk etwa ein Rulebook entwickelt, das die rechtliche Durchsetzbarkeit der Transaktionen über das Netzwerk definiert. Das sei vergleichbar mit der Richtlinie für Dokumenten-Akkreditive der internationalen Handelskammer (ICC UCP 600), so die LBBW. „Das Rulebook bildet die Basis für die Durchführung aller Payment Commitment Transaktionen. Damit wird den Anforderungen sowohl von Firmenkunden als auch von Banken entsprochen“, erklärt Med-Ridha Ben-Naceur, Projektverantwortlicher der LBBW für Marco Polo. Dank dieser Vorarbeiten sei nun aber ein zügiger Rollout auf weitere Firmenkunden möglich.

„Nach mehreren Pilottransaktionen in den vergangenen Monaten ist die Transaktion ein echter Meilenstein auf dem Weg zur Marktreife.“

Michael Maurer, Bereichsleiter Global Trade & Export Finance bei der LBBW

Bei dem Payment Commitment handelt es sich um ein unwiderrufliches, abstraktes Versprechen der Käuferbank an den Lieferanten, am Fälligkeitstag Zahlung zu leisten. Neben diesem Modul bietet Marco Polo noch weitere Trade-Finance-Instrumente an, darunter auch Features rund um Working Capital Finanzierung (Receivables und Payables Finance). Für die nicht-finanziellen Teile des Handelsgeschäfts – insbesondere die Zollabwicklung – ist aber nach wie vor Papier notwendig.

Wird Trade Finance günstiger?

Für den Rollout rühren die Banken nun kräftig die Werbetrommel. Schließlich geht es darum, Volumen auf die Plattform zu bekommen. Schon früher waren ambitionierte Digitalisierungsprojekte in der Handelsfinanzierung am Henne-Ei-Problem gescheitert: Die Corporates machen nur mit, wenn eine kritische Masse ihrer Banken und Lieferanten dabei ist. Einige Banken wiederum wollen erst investieren, wenn Corporates einen Business Case für sich sehen.

Umso wichtiger ist es, die Vorteile des neuen Ansatzes zu betonen. Im Vergleich zu klassischen Akkreditiven lasse sich die Abwicklungszeit über Marco Polo um ein paar Tage oder sogar Wochen verkürzen, wirbt Ben-Naceur: „Über die Plattform können wir Geschäfte in anderthalb bis zwei Stunden abschließen.“ In der alten, papierhaften Welt betrage die Arbeitszeit rund um Erstellung, Versand und Prüfung der Dokumente mehrere Tage, bisweilen sogar Wochen.

Hinzu kommt: Da die Plattform den Abgleich der Transaktionsdaten automatisch übernimmt – neben der Blockchain-Technologie kommen dabei auch Features rund um Künstliche Intelligenz, Cloud Computing und offene Schnittstellen (APIs) zu Einsatz – sinkt auch der Prozessaufwand. Genau beziffern möchte Ben-Naceur die Kosteneinsparungen für die Bank nicht. „Es wird tendenziell günstiger“, formuliert er vorsichtig.

Auch für die Unternehmen ergäben sich Effizienzvorteile, erklärt der Trade-Finance-Experte: „Es wird künftig eine Integration zwischen den ERP-Systemen und Marco Polo geben, sodass eine End-to-End-Automatisierung möglich ist.“ Ein Minimal Viable Produkt (MVP) dafür gebe es, die ersten Diskussionen mit Kunden liefen bereits.

Buchholz[at]derTreasurer.de