Continental und Siemens experimentieren in der Finanzierung mit der Blockchain.

links: Continental AG, rechts: Siemens AG; Montage: DerTreasurer

21.02.19
Finanzen & Bilanzen

Continental und Siemens handeln CP über Blockchain

Premiere bei Wertpapieren: Continental und Siemens haben erstmals ein Commercial Paper komplett digital via Blockchain abgewickelt. Eine Bank als Vermittler ist dafür nicht mehr nötig.

Kurzfristig Geld aufnehmen via Blockchain? Der Automobilzulieferer Continental glaubt an diese Vision und hat ein virtuelles Commercial Paper emittiert. Käufer des Wertpapiers war mit Siemens ein anderer Dax-Konzern. Die Testtransaktion hat bereits im Januar stattgefunden, aber erst am heutigen Donnerstag gaben die beteiligten Parteien den Erfolg dieses Pilotprojekts bekannt.

Das Besondere an der Transaktion: Das drei Tage laufende Commercial Paper über 100.000 Euro wurde vollständig digital abgewickelt. Voraussetzung dafür war der Einsatz von digitalem Geld („cash on ledger“). So hat der Automobilzulieferer Continental keine Papier-Schuldverschreibung digitalisiert, sondern direkt digitale Token erschaffen, die Siemens erwarb.

Der Handel konnte also direkt zwischen Emittent und Investor erfolgen. Die Commerzbank, die das Pilotprojekt begleitet hat, agierte lediglich als Plattformbetreiber und Berater. Die herkömmliche Rolle der Bank als Vermittler entfällt. Der Dokumentations- und Geldaustausch erfolgte den Unternehmen zufolge in Minuten statt den üblichen zwei Tagen. Die Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann beriet die an der Transaktion Beteiligten rechtlich.

Continental und Siemens sehen Potential der Blockchain

„Das Verfahren über die Blockchain alternativ aufzubauen mag im Moment noch etwas aufwändiger sein“, sagte Stefan Scholz, Leiter Finance und Treasury von Continental, dem Handelsblatt. Aber auf lange Sicht werde damit vieles einfacher werden. Außerdem bekomme man mehr Sicherheit und Zuverlässigkeit.

Der Grund: Die Transaktionsdaten, die über die Blockchain zur Verfügung gestellt werden, sind vollständig verschlüsselt. Für Betrüger wird es wegen der Struktur der Blockchain als dezentrale Datenbank zudem schwieriger, Daten zu manipulieren. Sie müssten dafür die Mehrheit der Server kontrollieren, auf denen die Daten gespeichert sind.

Sowohl Continental als auch Siemens wollten die Blockchain in der Praxis erproben, um „diese mittel- bis langfristig auch bei regulären Finanzgeschäften nutzen zu können“, begründeten die beiden Unternehmen ihre Motivation, als Pilotkunden zu agieren. „Für uns war es wichtig, die Technologie in einer frühen Phase zu testen und daraus für die Zukunft Handlungsfelder abzuleiten“, sagt Peter Rathgeb, seit Sommer 2018 Corporate Treasurer bei Siemens. „Mit den deutlich kürzeren Durchlaufzeiten und schnellerer Time-to-Market zeigen sich klare Vorteile dieser Technologie.“ 

Der Industriekonzern experimentiert schon seit einiger Zeit mit der Blockchain. Die Finanzsparte des Dax-Konzerns hat beispielsweise im vergangenen Herbst eine Kooperation mit dem Blockchain-Plattformanbieter TradeIX und Standard Chartered geschlossen, um Bankgarantien im Außenhandel künftig mit Hilfe der Blockchain vollständig digitalisieren.

„Auf lange Sicht wird mit der Blockchain vieles einfacher werden.“

Stefan Scholz, Leiter Finance und Treasury, Continental

Bis sich die Blockchain allerdings als neuer Transaktionsweg etabliert hat, dürfte noch einige Zeit vergehen. Dem Siemens-Treasurer zufolge liegen die großen Herausforderungen unter anderem „bei Sicherheits- und Performanceaspekten sowie im rechtlichen Bereich. Denn es müssten noch „durchgängige europäische Standards“ und gemeinsames „Rechtsverständnis zu blockchainbasierten Transaktionen“ geschaffen werden.

 

 

Deutschland hinkt bei Blockchain rechtlich hinterher

Im Gegensatz zu den allermeisten bisherigen Blockchain-Testtransaktion lief diese Commercial-Paper-Emission nun vollständig digital ab. Das bedeutet, eine parallel ablaufende Emission auf klassischem Wege, wie dies beispielsweise bei den Blockchain-Schuldscheinen von Daimler und Telefónica Deutschland nötig gewesen war, war diesmal nicht erforderlich. 

Warum? Der Knackpunkt bei dieser Transaktion ist, dass das Dreiergespann Continental, Commerzbank und Siemens den Umweg über Luxemburg gegangen ist. Dort ist bei der Emission eines Geldmarktwertpapiers die Hinterlegung auf Papier nicht mehr vorgeschrieben. So konnte das Wertpapier mittels einer elektronischen Signatur digital begeben, signiert und gehandelt werden, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat diesem Vorgehen zugestimmt. 

In einigen Ländern werden gerade die rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz der Blockchain im Finanzsektor geschaffen. Luxemburg, Liechtenstein, Irland, Malta und die Schweiz gehören dazu. So hat sich die LBBW in ihrer jüngsten Blockchain-Transaktion – Verkauf eines Asset-Backed Commercial Paper an den Vermögensverwalter MEAG – aus diesem Grund für irisches Recht entschieden. Auch in Österreich gehört man zu den Vorreitern. So hat die Erste Group bereits im Herbst vergangenen Jahres für den Autobahnbetreiber Asfinag einen Schuldschein allein über die Blockchain begeben. 

„Für uns war es wichtig, die Blockchain in einer frühen Phase zu testen.“

Peter Rathgeb, Corporate Treasurer, Siemens

In Deutschland ist das alles noch Zukunftsmusik. „Die größten Baustellen liegen im Zivilrecht“, sagte Christian Schmies, Partner bei der Anwaltskanzlei Hengeler Mueller, kürzlich zu DerTreasurer. Bislang fehle in Deutschland ein kohärenter rechtlicher Rahmen, um bestimmte Vermögenswerte über die Blockchain abzubilden und zu übertragen.

„Wir hoffen, dass das Projekt Impulse setzt, auch beim Gesetzgeber“, zitiert das Handelsblatt den Conti-Treasurer Scholz weiter. Kaum jemand wolle noch aufgesplittete Prozesse haben, mit Papier arbeiten. Besser sei automatisierter und sicherer Datenaustausch.

Paulus[at]derTreasurer.de

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